„Jede Behinderung ist anders“

Dominik Fischer (10) ist behindert. Unterricht an einer Regelschule halten seine Eltern für nicht praktikabel.

Langenfeld. Dominik begrüßt den Gast mit einem strahlenden Lächeln. Kaum Platz genommen, plappert der Zehnjährige drauf los: Dort soll sich der Besucher niederlassen, hier die Jacke ablegen und dann ganz schnell sagen, wer er ist, wo er herkommt und warum er in seinem Haus ist. „Er ist ein echtes Unterhaltungstalent“, kommentiert Vater Andreas Fischer die charmante Kontaktaufnahme seines Jungen. In einer Regelschule käme dieses Talent aber sicherlich nicht gut an, fügt er hinzu. Mitschüler würde es vom Lernen abhalten, Dominik selbst wäre frustriert, wenn ihm keiner antworte.

Dominik ist geistig behindert und sitzt im Rollstuhl. Lange Konzentrieren kann er sich nicht. „In der Schule ist es wie hier zu Hause“, sagt Mutter Christiane Fischer. „Er quatscht drauf los.“

Der Zehnjährige besucht die Förderschule an der Virneburgstraße. Dort bekommt er die Aufmerksamkeit, die er braucht. Das Personal ist geschult, und dort gibt es vor allem auch die Hilfsmittel, die seine Behinderung erfordert. „Ich wüsste nicht, wie das in einer Regelschule zu schaffen wäre“, sagt Christiane Fischer. „Jede Behinderung ist anders. Und jede erfordert andere Hilfsmittel und Therapien.“

Das Thema Inklusion beschäftigt die Fischers schon lange. Der Grundgedanke der Inklusion: Alle Kinder — ob nicht behindert oder behindert — sollen alle Schulen besuchen können und somit Förderschulen langfristig überflüssig werden. Darin sieht Familie Fischer aber ein Problem. „Der Grundgedanke, dass alle Kinder gleich behandelt werden sollen, ist ja generell gut. Nur die Umsetzung ist unrealistisch“, sagt Christiane Fischer. „Wie sollen Lehrer diesem Aufwand gerecht werden?“ Sicherlich könne ein ausschließlich körperbehinderter Junge dem Unterricht einer Regelschule folgen. „Bei anderen Behinderungen ist das aber nicht machbar“, glaubt Christiane Fischer. Und Inklusion meine schließlich alle Kinder.

Berührungspunkte zwischen nichtbehinderten und behinderten Schülern seien durchaus wichtig. „Wir haben selbst erlebt, dass Kinder skeptisch gegenüber dem Unbekannten sind“, sagt Andreas Fischer. Als seine Tochter in die Gesamtschule kam, sprachen sie ihre Mitschüler hinter vorgehaltener Hand auf ihren Bruder an: „Ist der etwa behindert?“, tuschelten sie. „Ich habe Dominik dann einfach den Mitschülern vorgestellt und alle Fragen beantwortet. Seitdem haben die Kinder einen selbstverständlichen Umgang miteinander“, sagt Fischer.

Den Fischers schwebt ein anderes Modell vor, wie Inklusion im Schulsystem umzusetzen ist: „Ein Schulzentrum, in dem sich Förderschulen und Regelschulen beispielsweise eine Mensa und einen Pausenhof teilen. Dort, wo es sinnvoll ist, sollen die Kinder zusammenarbeiten, beispielsweise in Musik- oder Theatergruppen“, sagt Andreas Fischer. „Dort bekämen die Kinder in den anderen Fächern die Förderung, die sie brauchen, hätten aber Berührungspunkte und lernten sich kennen. Das wäre gelebte Inklusion.“

Dominik fasst seinen Vater am Arm. „Papa, Musik machen wir bei uns in der Schule auch“, sagt er und quiekt amüsiert. Das gehört zu einem wahren Unterhaltungstalent ja auch irgendwie dazu.