Langenfeld: Abschied vom Lampenfieber
Menschen: Der evangelische Pfarrer Ulrich Bicker wird Richrath bald verlassen. Denn der 60-Jährige geht in den Ruhestand und zieht mit seiner Frau an den Niederrhein.
Langenfeld. Früher war Richrath kein gutes Pflaster für evangelische Pfarrer. "Das Verhältnis zu den Katholiken konnte als offene Feindschaft bezeichnet werden", beschreibt Ulrich Bicker. Noch dazu standen eine handvoll Protestanten einer katholischen Übermacht entgegen. Nach dem Krieg sorgten Flüchtlinge aus Osteuropa für einen Zustand, der schon eher als gleichgewichtig bezeichnet werden konnte. Heute zählt die evangelische Gemeinde in Richrath 5000 Mitglieder, die Katholiken kommen auf 6000. Das ist ein Verhältnis, mit dem Pfarrer Bicker, ein ausgesprochener Freund der Ökumene, sehr gut leben kann.
Doch jetzt steht der evangelische Pfarrer nach 32 Jahren kurz vor dem Abschied von jener besonderen Gemeinde, die er nicht nur aufgrund ihrer Geschichte so sehr ins Herz geschlossen hat. Im Alter von 60 Jahren geht Bicker in den Ruhestand und zieht mit Ehefrau Dorothee, bislang Lehrerin an der Geschwister-Scholl-Schule in Baumberg, an den Niederrhein. "Ich empfinde eine Menge Dankbarkeit für die Zeit hier", sagt Bicker, der damit sein gesamtes Berufsleben in ein und derselben Gemeinde verbracht hat. Geplant war das nicht. Aber irgendwie hatte es schon von Anfang an etwas gefunkt.
Damals 1978, als Bicker gerade die Ausbildung zum Pfarrer abgeschlossen hatte und zwischen einer Gemeinde im Aachener Raum und eben dieser in Langenfeld wählen durfte. "Meine Frau und ich kamen zum ersten Mal nach Richrath und waren sofort von dieser Idylle verzaubert", erinnert er sich. Viel später, nach gut 15 Jahren, hatte der Pfarrer dann aber doch das Gefühl, mal die Gemeinde wechseln zu müssen.
"Aber da haben dann unsere drei Kinder gesagt, dass sie bitteschön bleiben möchten. Da ließ der Nachruck meiner Bemühungen sehr nach", erzählt der Familienvater, der direkt hinter der Kirche wohnt. Die jüngste Tochter, die einzige, die noch in der Nähe wohnt, hat die Zeit vor Papas Ruhestand gut genutzt: "Sie hat sich noch schnell von mir trauen lassen."
Die Eheschließungen haben sich im Lauf der Jahre sehr geändert, sagt Bicker. "In früheren Jahren galt die Trauung als kirchliche Amtshandlung. Heute bereiten sich die Leute intensiv vor, wählen Texte und Lieder aus." Doch auch wenn man es meinen möchte, die Hochzeit ist aus Sicht von Bicker nicht der schönste Teil seines Jobs.
"Es klingt vielleicht merkwürdig, aber mehr als die Trauungen geben mir die Beerdigungen. Da werde ich gebraucht. Bei der Hochzeit bin ich Zeremonienmeister. Außerdem enttäuscht es sehr, wenn die Ehe nach einem Jahr schon nicht mehr existiert, was leider häufig vorkommt."
Bicker kennt seine Gemeinde gut. Mittlerweile trifft er bei Kindstaufen auf stolze Eltern, die er selbst schon getauft hat. Dennoch hat er bei Gottesdiensten noch immer ein klein bisschen Lampenfieber. "Die Anspannung gehört dazu", sagt er und spürt mittlerweile schon, dass zwei Gottesdienste hintereinander bisweilen ganz gut an die Kondition gehen.
Das merkwürdigste Erlebnis in einem Gottesdienst hat ihm übrigens eine Fehlfunktion in der Lautsprecheranlage beschert. Plötzlich war laut und deutlich der Taxifunk zu hören und es schallte der Ruf durch die Kirche: "Ein Wagen zur Bahnstraße, bitte."
In seinem neuen Leben möchte Ulrich Bicker den Niederrhein erkunden, am liebsten per Fahrrad, und öfter ins niederländische Ferienhaus reisen. "Ansonsten", sagt Pfarrer Ulrich Bicker mit breitem Grinsen, "hoffe ich, dass ich mit der Langeweile klarkomme."