Jubiläum „Frauen gehen die Dinge anders an“

Interview Annette Koewius, Kreisvorsitzende der Frauen-Union und frühere Europaabgeordnete, über Frauenquoten und Genderdebatten.

Annette Koewius (M.) bei einer Diskussionsrunde mit Sabine Küsters, Razeea Lindner, Michaela Noll und Gabriele Römer (v.l.).

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Frau Koewius, wählen dürfen und sich selbst zur Wahl stellen, das sind zweifellos zwei verschiedene Paar Schuhe. In Monheim etwa zog die ersten Frau erst 1946 in den Stadtrat ein. Auch Sie sind in gewissem Maße eine Pionierin.

Annette Koewius: Ich war die erste Leiterin des Berufskolleges Barmen, das ich zur Europaschule gemacht habe. Und ich wurde vor etwa 30 Jahren auch die erste Vorsitzende der CDU in Ratingen. Das war in der Tat nicht einfach, weil man stets um Anerkennung kämpfen musste.

Inwiefern?

Koewius: Ich stellte fest, dass man unterschiedliche Maßstäbe anlegte. Als Frau musste man in allen Beurteilungen sehr gut sein. Bei Männern gab es hingegen Vermerke wie: „War schon stellvertretender Schulleiter“. Das erweckte den Anschein, als gäbe es bereits eine höhere Qualifikation.

Wie sind Sie überhaupt zu Politik gekommen?

Koewius: Dafür habe ich mich schon immer interessiert. Ende der 80er Jahre kam mir der Gedanke, man könnte was tun, zunächst im Bereich Bildung und Kinderfürsorge. Mich beschäftigte aber auch alles, was mit Wirtschaft und Sozialpolitik zu tun hatte. Schließlich hatte ich Volkswirtschaft studiert.

Wenn man sich den Frauenanteil im Bundestag ansieht, gibt es auch heute noch Luft nach oben. Er liegt aktuell bei 31 Prozent, in der CDU/CSU-Fraktion sogar nur bei rund 25 Prozent.

Koewius: Auch im Landtag gibt es eine erschreckend niedrige Frauenquote. Es fehlt auch an Bürgermeisterinnen und Landrätinnen. Bei diesen politischen Ämtern und Mandaten lässt sich sogar ein rückläufiger Trend im Vergleich zum Jahr 2002 feststellen.

Aber warum?

Koewius: Wir müssen die Männer noch stärker davon überzeugen, wie wichtig es ist, dass Frauen dabei sind. Frauen gehen manche Dinge anders an, sind nicht immer so verbissen. Auch in der Wirtschaft hat man inzwischen gemerkt, welche Vorteile das hat. Wir brauchen in der Politik eine Parität wie in der Gesellschaft.

Was halten Sie von festgeschriebenen Quoten?

Koewius: In der Zeit, als ich Schulleiterin wurde, führte man ein, dass man Frauen bei gleicher Befähigung vorziehen soll. Das machte mir Mut. Es stellte sich aber auch heraus, dass man diese Regel umgehen kann. Richtig ist, dass es in der CDU und SPD ein 30-Prozent-Quorum gibt. Das hilft schon. Die Grünen sind in dieser Hinsicht ja besonders konsequent mit ihrer Doppelspitze mit einem Mann und einer Frau. Man könnte darüber nachdenken, ob man das Quorum noch erhöht und etwa vorschreibt, dass auf dem Wahlzettel immer Männer neben Frauen stehen müssen. Klar ist natürlich auch, dass niemand sich gern als Quotenfrau sieht, sondern wegen der eigenen Kompetenz ernst genommen werden will.

Was braucht es noch zur Gleichberechtigung?

Koewius: Sicherlich müssen wichtige Rahmenbedingungen geschaffen werden – zum Beispiel durch Kindergärten für Abgeordnete, wie es sie bereits gibt, oder familienfreundlichere Sitzungszeiten. Natürlich braucht man das Verständnis in der Familie. Und man muss Frauen Mut machen. Ganz wichtig sind dabei Netzwerke, wie sie die Männer bereits in großer Zahl haben. Wir als Frauen-Union organisieren Seminare und stehen im engen Kontakt etwa zum Sozialdienst Katholischer Frauen oder zu den Business-Frauen.

Wie stehen Sie zur Genderdebatte oder der „Me too“-Bewegung?

Koewius: Da muss man differenzieren: Es ist wichtig, dass Männer Respekt haben, so wie ich es auch meinen Söhnen beigebracht habe, und dass falsche Verhaltensweisen angeprangert werden. Es ist aber gut, dass es die Aufmerksamkeit für dieses Thema gibt. Nicht in Ordnung finde ich aber, wenn eine solche Debatte zur gegenseitigen Bespitzelung führt. Ich lehne es ab, Feindseligkeiten aufzubauen.