Langenfelderin lehrt Selbstverteidigung
Mit WenDo macht die 35-jährige Schirin Salem besonders ägyptische Frauen stark gegen die sexuellen Belästigungen von Männern.
Langenfeld. In Schirins Kursen fließen auch mal Tränen. Denn ein fingerdickes Holzbrett mit der bloßen Hand durchzuschlagen, das muss man erst mal bringen. Zumal als zehnjähriges Mädchen. So alt etwa dürfte die Kleine sein, die in dem Dokumentarfilm aus Kairo vor dem Holzbrett kniet. Sie weint. Dann bekommt die kleine Ägypterin ein Handpolster. Schlägt zu und strahlt. Geschafft! Vielleicht wird sie eines Tages nicht Holz, sondern eine Nase brechen müssen. Doch allein, dass sie sich dazu imstande sieht, könnte sie davor bewahren, überhaupt angegriffen zu werden.
Schirin Salem, Trainerin
WenDo nennt sich dieses Selbstverteidigungstraining speziell für Frauen. Nach Ägypten gebracht hat es eine Frau aus Langenfeld. Schirin Salem, studierte Pädagogin, wuchs in der Posthorn-Stadt auf. Man könnte sie als Antwort auf die Kölner Silvesternacht bezeichnen. Exportiert ihr eure Frauenverachtung zu uns, exportieren wir den Behauptungswillen der Frauen zu euch! Könnte. Doch Schirin ist schon seit vier Jahren in Nordafrika. Jetzt kommt die 35-Jährige für einen Sommer lang ins Rheinland zurück, um WenDo in Hilden zu lehren. Sozial stand die Tochter einer Deutschen und eines Ägypters schon immer in vorderster Reihe. Wurde regelmäßig zur Klassensprecherin gewählt, engagierte sich bereits mit 14 bei den „Sozialen Brennpunkten“. Zwei Jahre war sie Vorsitzende dieses Langenfelder Vereins, der benachteiligten Familien mit Hausaufgabenbetreuung, Ferienaktionen oder Deutschkursen hilft.
Nach ihrem Master in Medienwissenschaften und Gender Studies an der Uni Bochum arbeitete Schirin mehrere Jahre für ein Frauenrechtsprojekt der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn, ehe sie für die GIZ nach Kairo ging. „Als halbe Ägypterin wollte ich schon immer mal in Ägypten leben — dann kam die ,Arabellion’ 2011, der richtige Zeitpunkt“, erzählt die Grenzgängerin.
In ihren bisher vier Kairoer Jahren hat sie hunderte Mädchen und Frauen in WenDo unterrichtet, dazu 20 Trainerinnen ausgebildet und zehn Events zur Selbstbehauptung auf Bühnen und in Schulen auf die Beine gestellt. „Bei der Selbstbehauptung geht es um Fragen wie: Welche Signale sende ich? Wie sollte meine Körpersprache aussehen, wie mein Blick? Was könnte ich erwidern, wenn mich jemand sexuell belästigt? Wo sind meine Grenzen? Wie kann ich diese wahren?“, erklärt die WenDo-Missionarin. Antworten finden die Kursteilnehmerinnen in Übungen, Rollenspielen und „viel Selbstreflexion“. Hinzu kommt die Selbstverteidigung: „Man lernt die Schwachstellen des Angreifers kennen und wie man diese mit wenig Aufwand schnell und effektiv trifft.“ Genaue Techniken will Schirin nicht verraten. „WenDo ist von Frauen für Frauen. Das soll auch so bleiben.“ In dem Film über die Kurse, die vom Kairoer Ministerium für Jugend und Sport sowie der GIZ gefördert werden, wird klar: Die Mädchen und Frauen fühlen sich anschließend wehrhaft gegenüber Belästigungen, wie sie im arabischen Raum vielerorts zum Alltag gehören. „Ich fühle mich jetzt stark genug, um mich selbst zu verteidigen“, sagt eine. „Ich werde Übergriffe nie mehr ignorieren“, eine andere. Ob Kopftuch oder nicht, spielt dabei laut Schirin keine Rolle: „Es hat nie eine Grenze gezogen. Gerade nach einem Kurs sehen sich die Frauen als ,Schwestern’, die zusammenhalten, egal welcher Religion, Hautfarbe oder sozialen Schicht.“ Und die Männer? „Finden gut, was ich mache. Schicken ihre Frauen, Töchter, Schwestern in meine Kurse. Die, die es wagen, mich anzumachen, reagieren oft sehr beschämt.“