„Gigantismus“ in der Kritik Monheim am Rhein – Der Aufstieg und Fall einer Steueroase
Düsseldorf · Mit extrem niedriger Gewerbesteuer brachte es Monheim am Rhein zum Krösus. Jetzt wachsen die Schulden. Und die Bürger gehen auf die Straße.
Das 43 000 Einwohner zählende Städtchen Monheim am Rhein hat es sogar schon mal in die „Heute Show“ geschafft. 2021 war das. Da war bekannt geworden, dass das von den großen Nachbarstädten Düsseldorf, Köln, Leverkusen oder auch Solingen immer kritisch beäugte Städtchen bei der insolvent gegangenen Greensill Bank 38 Millionen Euro angelegt hatte. Die Verschwendungssucht der Stadt wurde auf die Schippe genommen, als die Satireshow einen großkotzig auftretenden Schauspieler den Stadtkämmerer mimen ließ. Dieser präsentierte auf seiner Stadtführung nicht nur den legendären künstlichen Geysir (den gibt es tatsächlich), sondern auch Bürgersteige mit Fußbodenheizung und goldene Kanaldeckel. Und Bettler, die in Monheim freilich kein Bargeld akzeptieren, wohl aber alle gängigen Kreditkarten.
Der Bund der Steuerzahler NRW hatte immer wieder gewarnt, dass sich die Stadt mit den auf Kosten der Nachbarkommunen erworbenen Vermögen bei allzu viel gleichzeitig gemachten Investitionen überhebe. Zu Lasten der Nachbarkommunen deshalb, weil das einst unscheinbare Städtchen durch die 2009 ans Ruder gekommene Partei Peto (lateinisch; steht für „Ich fordere“) mit ihrem populären Bürgermeister Daniel Zimmermann die Gewerbesteuer drastisch senkte. Die Stadt wurde zu einer Steueroase, lockte Unternehmen von anderen Standorten an. Und konnte gleichzeitig den Mitarbeitern der geworbenen Unternehmen das neue Zuhause schmackhaft machen. Da diese ja leicht das reichhaltige Kulturangebot in Düsseldorf oder Köln nutzen könnten. Oder Spitzenfußball beim nahen Bundesligisten Bayer Leverkusen.
Freizeitwert – dafür scheint
kein Preis zu hoch zu sein
Mit dem vielen in die Stadt strömenden Geld konnten Investitionen aller Art finanziert werden, die den Standort weiter attraktiv machten. Doch der Steuerzahlerbund mahnte schon 2022 vor einem finanzpolitisch gefährlichen Weg. Die gewaltigen Investitionspläne würden dazu führen, dass Monheim schon 2025 die Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in NRW sein könnte.
Der Blick auf die ausgezeichnete Einnahmesituation scheine den Blick auf die Ausgabenseite und die sich dort abzeichnende Entwicklung verklärt zu haben, so die frühe Warnung der Steuerzahler-Lobbyisten. Monheim investiere immer weiter im großen Stil, um sich als Stadt mit hohem Freizeitwert, großem kulturellen Angebot und attraktiven Einkaufsmöglichkeiten zu positionieren. Dafür scheine kein Preis zu hoch zu sein. Die Wirtschafltlichkeitsberechnung diverser Maßnamen sei nicht nachvollziehbar. Ebenso gebe es Zweifel an der Sinnfälligkeit der Kunst im öffentlichen Raum, bei denen der künstliche Geysir nur ein Beispiel von vielen sei. Am Monheimer Rheinufer entstehe in historischen Mauern eine Veranstaltungshalle der Superlative, eine alte Shell-Fassabfüllanlage werde zur hochmodernen, multifunktionalen Kulturraffinerie K714 mit modernster Bühnentechnik umgebaut, die bis zu 4.700 Menschen fassen soll - mehr als zehn Prozent der Einwohner und einer Metropole würdig. Für eine geplante Marina soll der Greisbachsee aufwändig durch einen Kanal mit dem Rhein verbunden werden. Rund 40 Millionen Euro solle das kosten. Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler NRW gehe die Stadt Monheim einen finanzpolitisch gefährlichen Weg, denn man nehme sich finanziell zu viel gleichzeitig vor. Bau und Vermietung von Einkaufszentren oder Hotels seien keine städtische Aufgabe. Die Gewerbesteuereinnahmen könnten durchaus wegbrechen, prophezeite man schon vor knapp drei Jahren.
Eben diese Warnungen sind mittlerweile Realität geworden. Die Monheimer SPD beklagt: „Bereits in diesem Jahr fehlen 107 Millionen Euro, wovon nur 20 Millionen Euro eingespart werden, 2025 fehlen weitere 150 Millionen Euro, von denen nur 41 Millionen Euro eingespart werden. Die fehlenden 146 Millionen Euro werden über zusätzliche Kredite aufgenommen und somit die Lasten auf nach dem Kommunalwahltag im September 2025 verschoben. Somit steigen die Schulden von Stadt und städtischen Töchtern in den nächsten Jahren auf unglaubliche 1,5 Milliarden Euro. Trotz dieser alarmierenden Lage hält der Bürgermeister unbeirrt an kostspieligen Prestigeprojekten wie der Marina fest, für die allein in diesem Jahr bis zu 1,5 Millionen Euro und 2025 über 2,3 Millionen Euro an Planungskosten anfallen.“
Auch auf der Straße
regt sich Widerstand
In einer Pressemitteilung der Monheimer SPD heißt es: „Gleichzeitig sollen Einsparungen und Mehreinnahmen auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger durchgesetzt werden. Bereits dieses Jahr wird an wichtigen Stellen gespart, wie beispielsweise bei Fahrbahndeckensanierungen. Für 2025 sind noch härtere Einschnitte geplant: Von der Erhöhung der Grundsteuer über die Reduzierung der Grünpflege bis hin zu zahllosen Beitragserhöhungen oder Wegfall von Zuschüssen bei Mittagessen, Musikschule, Volkshochschule und Sport – die Liste ist lang und erschütternd.“
Auch auf der Straße regt sich Widerstand. Am 18. Dezember gab es eine Kundgebung gegen die Schuldenpolitik der Stadt und die daraus für die Bürger entstehende Belastung. Norbert Friedrich vom Mieterbund rechnete dabei vor, was die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes für die Bewohner, insbesondere für die Mieter der Stadt, bedeutet: Dadurch dürften sich die Wohnnebenkosten für eine durchschnittliche Wohnung um 60 bis 80 Euro monatlich erhöhen. Hubertus von Buddenbrock vom Hauseigentümerverband Haus und Grund betonte, dass der Schuldenstand der Stadt dazu führe, dass bereits zum Oktober 2024 für jeden Monheimer eine anteilige Schuldensumme von fast 23 000 Euro erreicht worden sei. Laut einer Pressemeldung des Verbands geißelte von Buddenbrock „den Größenwahn und die Gigantomanie bei den Monheimer Projekten“, die sich wirtschaftlich nicht rechneten und wies dabei auf die Kulturraffinerie K714 mit Parkhaus, das Wellenbad, Europas größte Achtfach-Turnhalle hin. Für die Bürger der Stadt, die sich „Hauptstadt der Kinder“ nennt, sei es viel wichtiger, dass Schulen ordentlich ausgestattet sind. Doch bei denen fehle es sogar schon an Seife und Handtüchern in den Klassen. Haus-und-Grund-Verbandskollege Helmut Fiebig rechnete vor, dass sich die Schuldenlast der Stadt allein durch die bereits geschaffene Haushaltslage bis 2028 auf 1,8 Milliarden Euro verschlimmern werde.
„Was wir kritisieren,
ist der Gigantismus“
Jens Ammann vom Bund der Steuerzahler NRW warnte kürzlich im Interview mit der „Rheinischen Post“: „ Monheim wird in Kürze die Stadt sein, die die mit Abstand höchste Pro-Kopf-Verschuldung in NRW haben wird.“ Die Erfolge der Vergangenheit hätten die Politik in Monheim womöglich verblendet. „Was wir kritisieren, ist der Gigantismus. Peto möchte ein neues Monheim bauen – unabhängig davon, wie viel es kostet.“ Und Ammans Chef Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler NRW, pflichtet bei: „Viele teure Prestige-Projekte treiben die Stadt in eine Verschuldung bislang unbekannten Ausmaßes, die nicht nur kommende Generationen bezahlen müssen. Auch die heutigen Einwohner, egal ob Mieter oder Eigentümer, müssen für ihre Wohnungen und Grundstücke ab 2025 ein Vielfaches an Grundsteuer bezahlen. „In Monheim zeigt sich anschaulich: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen“, so Steinheuer.
Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann gibt sich von all dem unbeeindruckt. In einer Weihnachtsansprache vor ein paar Tagen nannte er 2024 ein für die Stadt sehr erfolgreiches Jahr. Er gesteht zu, dass die Gewerbesteuereinnahmen gesunken sind, und die Grundsteuer „auf ein in anderen Städten übliches Niveau steigt. Das ist nicht schön, aber unvermeidbar“.
Sonja Wienecke soll die
Peto-Vormacht brechen
Zimmermann, der seit 2009 Bürgermeister der Stadt ist, will übrigens bei der nächsten Kommunalwahl im September 2025 nicht mehr antreten. Als Nachfolger sähe er gern seinen Parteifreund Lucas Risse auf dem Bürgermeisterstuhl. Doch mit einem ungewöhnlichen Bündnis will die Opposition die absolute Mehrheit der Peto-Partei im Stadtrat knacken. CDU, Grüne, SPD und FDP haben sich auf Sonja Wienecke als gemeinsame Kandidatin für das Bürgermeisteramt geeinigt. Die 43 Jahre alte Monheimerin ist parteilos. Derzeit leitet sie den Bereich Jugend, Schule und Sport in der Stadtverwaltung Langenfeld.