Pferdezahnarzt: Schleifarbeit am Schimmel

Zahnprobleme gibt’s nur bei Menschen? Nein, auch Pferde müssen regelmäßig zum Zahnarzt.

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Langenfeld. Es knirscht, es rumpelt, es rattert. Das ist nichts für Leute, die nicht gerne zum Zahnarzt gehen. Dazu riecht es nach feuchtem Pferde-Atem. Der Onkel Rossdoktor („Nenn mich einfach Jürgen“) hält mit der einen Hand die Zahnraspel. Mit der anderen hält er die Zunge einer älteren Stute zurück. Die ist lang und schlabberig. Zwischendurch steckt der Doc immer wieder die Hand ins Pferdemaul, auch mal die ganze, so dass alle seine Finger im Maul verschwinden. Dann tastet er. Wo sind noch Ablagerungen auf den Zähnen?

Der Pferdezahnarzt hat einen Termin im Stall an der Hitdorfer Straße in Langenfeld. Etwa alle 40 Minuten behandelt Jürgen einen neuen Patienten. Das Prozedere ist immer dasselbe: kleine Spritze in den Hals, das Pferd wird dösig. Den Weg zum Wasserschlauch geht es schon ganz langsam und tranig.

Noch mal eben Mundausspülen mit dem Schlauch, das muss aber sein. Das ist wie beim Menschen-Zahnarzt. Dann wird das Pferd in die Box geführt. Eine Schiene hält jetzt sein Maul offen. Die Assistentin des Pferdezahnarztes fasst das Pferd am Kopf und streichelt es ab und zu. Der Doc hantiert im Maul herum.

Nun ist Barón dran. Barón ist fünf Jahre alt und ein hübscher Schimmel. „Der hat jetzt keine Milchzähne mehr“, sagt Jürgen. Er schleift hier und da, dass es aus dem Pferdemaul staubt und auch ein bisschen verkohlt stinkt. Dabei trägt er eine Brille, die eher nach Baustelle als nach Zahnarzt aussieht. Beim Pferdezahnarzt ist eben alles etwas größer und gröber. Die elektrische Raspel zum Beispiel, mit der der Arzt im Maul raspelt, ist länger als sein Unterarm.

Barón stöhnt. Er verlagert das Gewicht mal von einem Bein auf das andere, dreht den Kopf ein wenig. Sonst macht er nicht viel. Er ist eben sediert. Die Behandlung scheint ihn nicht sonderlich zu stören. Auf jeden Fall stresst sie ihn nicht. Der Mediziner sagt, dass er zufrieden sei mit Baróns Zähnen. Besitzerin Anne Orthen freut sich. Sie findet das wichtig. Barón ist ihr zweites Pferd. Sie möchte von ihm Leistung fordern, sagt sie. „Unser erster Distanzritt steht an. Das ist wie ein Marathon.“ 27 Kilometer legt Anne Orthen dabei mit Barón zurück. „Da muss Barón Spaß am Laufen haben. Das hat er aber nur, wenn es ihm gut geht.“ Und gut gehen bedeutet eben auch: kein Zahnweh.

Es ist gar nicht lange her, da hatte Barón ein richtiges Problem. Das junge Pferd hatte einen entzündeten Zahn. Das konnte man zuerst nicht erkennen. Da war diese eitrige Stelle am Kopf. Zuerst sah es nach einer Verletzung aus. Der Tierarzt erkannte, was dahintersteckte. Der Zahn wurde dann in der Tierklinik gezogen, die Wunde am Kopf verschwand.

Doch dieses Mal ist alles gut. Kein Zahn muss raus. Die Zahnarztassistentin reinigt alle Geräte im Wassereimer. Spiegel, Sonde, Raspel und Schleifgerät sind jetzt bereit für das nächste Pferd. Barón muss noch einmal sein Maul ausspülen. Dann darf das Pferd erst einmal nicht fressen. Das ist genauso wie bei den Menschen, wenn sie beim Zahnarzt waren. Und im kommenden Jahr ist dann der nächste Termin.