„Unsere Mauer trennt nicht, sie verbindet“
40 Schüler aus aller Herren Länder gestalteten gemeinsam ein farbenfrohes Kunstwerk.
Langenfeld. „Da“, sagt Neela und zeigt ihre bunten Hände: „Meine Mutter wird sich freuen.“ Vermutlich wird sie das wirklich, denn sie hat allen Grund, stolz zu sein auf ihre elfjährige Tochter. Hat die doch zwei Stunden lang an einem 16 Quadratmeter großen Wandbild mitgewirkt. Und das ist — zwischen gelungenen Graffiti — nicht nur ein weiterer Hingucker an der Sporthalle des Langenfelder Konrad-Adenauer-Gymnasiums (KAG), sondern ein wahrhaft internationales Projekt mit völkerverbindender Botschaft: „Mauern ohne Grenzen“ heißt die Kunstaktion, bei der 40 Kinder und Jugendliche aus 17 Nationalitäten mitwirken und das Jahr für Jahr Nachahmer in anderen Ländern finden soll.
Karos, Bögen, Girlanden und Kreise in Grün, Hellblau, Gelb, Rosa oder Orange, dazu Sterne, Wellen, Häuser, ein Baum und ein Herz — das acht mal zwei Meter große Gemälde ist eine farbgewaltige Komposition. Ein bisschen Miró, ein bisschen Niki de Saint Phalle, ein bisschen Picasso. Oder besser: ein ganzer Monroy. „Eine moderne Interpretation von Multikulturalität“, erklärt Bianca Monroy (39) ihre Bildidee.
Die in Berlin wohnende Künstlerin mit mexikanischen und italienischen Wurzeln will mit ihrem kontrastreichen Werk fürs KAG den Blick lenken auf die Schönheit des Bunten, auch unter den Menschen. Bis zu ihrem 29. Lebensjahr hat sie in der Nähe der Pazifikstrände bei Acapulco gelebt — und die Farbenpracht Mexikos lieben gelernt. In Landschaft und Architektur, Kleidung und Schmuck, Speisen und Kultur. „Wir Mexikaner entstammen mehr als 300 Urkulturen“, erklärt die Mutter eines fünfjährigen Jungen, die die Farben auch am Körper feiert, mit einer Brille in Rot und Grün, einem senffarbenem Top und einer lustigen Malerschürze.
Die Verbindung der Wandmalerei zu Mexiko ist kein Zufall. Initiiert hat das mehrtägige Pinsel-Happening mit Nachos, Wassereis und Acapulco-Sonne der in Langenfeld lebende Fernsehjournalist Waldo Gamez, Vorsitzender des örtlichen Deutsch-Mexikanischen Kulturkreises und der Föderation der mexikanischen Vereine in Europa (Fame).
Gamez, der vor bald drei Jahrzehnten für sein Heimatland vom Mauerfall in Berlin berichtete, geht der Mauerbau-Plan von US-Präsident Donald Trump gehörig auf die Nerven. „Auch dagegen wendet sich unsere ,Mauer ohne Grenzen’, eine Mauer, die nicht trennt, sondern verbindet“, sagt der 61-Jährige, der seit 14 Jahren wieder in Deutschland lebt. Eine Mauer ohne Grenzen dergestalt, dass die nächste noch in diesem Jahr in Mailand bemalt werden soll, wieder von Schülern, wieder unter mexikanischer Regie.
Etwa 12 000 Mexikaner leben laut Gamez in Deutschland. Mehr sind es nur in Mexiko (123 Millionen), USA, Kanada und Spanien. „In Langenfeld haben wir zwölf Familien.“ Einige Kinder daraus helfen auch beim Ausmalen des Wandbildes, ebenso wie KAG-Schüler mit familiären Wurzeln in Südafrika, China, Vietnam, Kroatien, den Niederlanden . . . „Wir haben bewusst vor allem Schüler aus solchen Familien für das Projekt ausgewählt“, sagt Schulleiter Stephan Wippermann-Janda (61).
Die insgesamt 40 Sechst- bis Neuntklässler schwingen nacheinander in Zehnergruppen den Pinsel. „Unser Wandbild ist ein Symbol der Freundlichkeit“, sagt Julius (12, 6 b), ehe er sich einen Nacho genehmigt. Angelina (12) aus der 6 e mit auch in Mexiko populärem Wassereis in der Hand nickt: „Die Kontraste stehen dafür, wie verschieden wir sind.“ Motto: In unserer Unterschiedlichkeit sind wir alle gleich.
Nebenan stoßen Schulleiter Wippermann und Wandbild-Initiator Gamez auf eine Gemeinsamkeit: „Ich stamme aus Puebla, wo Volkswagen und andere deutsche Firmen Autos bauen“, erzählt der Mexikaner. „Ach, da habe ich vor fast 20 Jahren zwei Jahre lang an der Deutschen Schule unterrichtet“, freut sich sein Altersgenosse.