Schuldnerberatung in Monheim „Betroffene stehen unter hohem Druck“
Monheim · Vom 10. bis 14. Juni findet eine Aktionswoche statt. Das Thema lautet „Buy now — Inkasso später“.
Menschen, die Rat bei der Schuldnerberatung im Monheimer Haus der Chancen suchen, kommen in der Regel erst, „wenn sie Drohbriefe der Gläubiger im Kasten finden oder die Kontopfändung kurz bevor steht“, sagt Markus Miller. Der Leiter der Schuldnerberatung mit Sitz an der Friedenauer Straße 17c merkt deutlich, dass sich die gestiegenen Energiepreise, die hohen Mieten und auch die Inflation auf seine Tätigkeit und die seines Teams auswirken. Immer mehr Menschen hätten Anspruch auf Sozialleistungen. doch die Bearbeitung der Anträge dauere oft sehr lange. „Dadurch verschärft sich die Situationt.“ Manchmal gingen vier Monate ins Land, bis beispielsweise das Bürgergeld ausgezahlt wird, ergänzt Beraterin Nicole Liedtke. So entstünden Rückstände unter anderem bei Vermietern und Stromanbietern. „Das ist ein Teufelskreis. Wir unterstützen die Betroffenen dann bei den Verhandlungen mit den entsprechenden Stellen.“
Die Zahl der Überschuldeten stagniere auf einem hohen Niveau. Das Defizit, das diese Menschen angehäuft hätten, sei aber niedriger als noch vor einigen Jahren. Da habe der Schuldenberg eines Einzelnen nicht selten zwischen 40 000 und 80 000 Euro betragen. Aktuell lägen jetzt viele unter 10 000 Euro.
Die Ratsuchenden seien hauptsächlich zwischen 40 und 50 Jahre alt. Arbeitslosigkeit, Trennung oder Familienzuwachs bringen die Betroffenen häufig in eine finanzielle Schieflage. „Menschen, die zu uns kommen, stehen unter hohem Druck. Sie finden für sich alleine keine Lösung.“ Ganz junge Bürger gehörten hingegen seltener zum Klientel der Schuldnerberatung, sagt Miller. 45 Prozent der Ratsuchenden sind männlich, 55 Prozent weiblich. Darunter viele alleinerziehende Frauen. Diese seien „überproportional betroffen, weil sie kein hohes Einkommen erwirtschaften können“. So betreut Miller gerade eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern. Alles dreht sich um den Nachwuchs. Die junge Frau habe das Gefühl, ihr eigenes Leben zu verpassen. Um sich etwas Gutes zu tun, bestellte sie Kosmetik und Kleidung im Internet. Sie konnte die Ware aber nicht bezahlen. Die vielen Forderungen seien dann nicht mehr zu überblicken gewesen. Kommen dann mit der Zeit Inkassogebühren hinzu, werden aus 39 Euro schnell 190 Euro, berichtet Nicole Liedtke.
Viele Leute öffneten ihre Post mit den Mahnungen gar nicht mehr. „Wir machen das dann hier gemeinsam“, sagt Miller. Liedtke und ihr Vorgesetzter gucken sich bei der Beratung die individuelle Einkommenssituation an, überlegen gemeinsam mit den Betroffenen, welche Summe verfügbar ist, um die Schulden zu tilgen. An erster Stelle gehe es aber darum, die Wohnung zu sichern und die Mietkosten zu begleichen. Dann gebe es eventuell die Möglichkeit, ergänzende Leistungen zu beantragen wie Wohn- oder Kindergeld. „Wir überprüfen die Bescheide und schauen, ob Ausgaben reduziert werden können“, sagt Liedtke. Manchmal seien die Bescheide unvollständig. In einigen Fällen müsse man aber feststellen, „es ist überhaupt kein Geld da, um die Schulden zu bezahlen“.
Wenn nichts mehr geht sind ein Schuldenerlass oder die Privatinsolvenz „der letzte Schritt“. Die Wartezeit für ein Insolvenzverfahren oder eine langfristige Entschuldung beträgt im Schnitt neun Monate. Liedtke und Miller leisten auch psychologische Hilfe. „Wir bauen ihr Selbstwertgefühl auf, damit die Menschen wieder durchstarten können.“
Eine bundesweite Aktionswoche der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungen macht vom 10. bis 14. Juni mit dem Thema „Buy now – Inkasso später“ auf die Situation verschuldeter Menschen aufmerksam.