Archäologie hautnah erleben
20 Wissenschaftler des Neanderthal-Museums und verschiedener Universitäten ermöglichen einen Einblick in ihre Arbeitswelt.
Mettmann. Das Rentiergeweih hat es Jano besonders angetan. Vorsichtig streicht der Neunjährige mit seiner Hand an den Verzweigungen entlang. „Er interessiert sich sehr für Archäologie“, erklärt seine Tante, „da war es natürlich klar, dass wir zum Tag der Forschung gehen.“ Hubert Benke vom Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln freut sich über das Interesse. „Schau mal hier, dies sind allesamt Werkzeuge, die vor rund 15 000 Jahren aus Geweih hergestellt wurden“.
Der Wissenschaftler hält Jano eine Harpune hin. „Diese Exponate sind von uns naturgetreu nachgebildet worden, die Originale sind zum Teil sehr schlecht erhalten oder zerbrechlich.“ Jano staunt. „Warum haben sie denn damals dazu keine Knochen verwendet?“ Der Archäologe erklärt: „Geweih ist ein viel elastischeres Material, man kann es besser bearbeiten und, wenn man es erhitzt, sogar verbiegen.“ Die Besucher kommen in den Genuss, nicht nur die Dauerausstellung, sondern auch die zwölf Stationen zum Forschertag kennenzulernen. Geograf Dirk Hoffmeister von der Uni Köln demonstriert das 3D-Scannerverfahren, mit dem die Erfassung ganzer archäologischer Fundstätten problemlos möglich ist. „Bei einem Fund bekommen wir ein Foto zugeschickt und können daraus nicht nur ein 3D-Modell entwickeln, sondern auch errechnen, wie weit Licht in eine Höhle eingefallen ist.“
Ursula Tegtmeier ist ebenfalls Archäologin und hat sich auf die Bestimmung von Holzarten spezialisiert. Anhand kleinster Proben kann die Mitarbeiterin der Uni Köln unter dem Mikroskop erkennen, um welches Gehölz es sich handelt — wichtig, um Erkenntnisse über die Flora der Eiszeit zu gewinnen. „Je trockener Holz, aber auch Pollen und Sporen über die Jahrtausende gelagert waren, desto besser das Material“, erklärt die Expertin. Mit ähnlich detektivischer Kleinarbeit geht auch Florian Gumbold vor. An seinem Stand können Knochen und Schädel angefasst und begutachtet werden. „Hier geht es darum, dass wir aus Knochenmaterial DNA bestimmen können, die uns wertvolle Erkenntnisse über die Homo sapiens und die Neandertaler liefert.“ Auch diese Exponate sind täuschend echt nachgebildet. „Das Museum verfügt über die größte Abguss-Sammlung in Europa“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter, „Oberstufenkurse leihen sich gerne unsere Exponate aus, weil sie dem Original bestmöglich nahe kommen.“
Der kleine Marcel steht neugierig an der Forscherstation von Till Knechtges. „Was ist das?“, fragt der Fünfjährige und zeigt auf einen skelettierten Elchkopf. Dann entdeckt er einen schweren und großen, geriffelten Klotz — der Backenzahn eines Mammuts. Schließlich erspäht Marcel auch noch getrocknete Heuschrecken. Till Knechtges erklärt: „Die Menschen früher waren vor allem Pflanzenfresser, aber es gab auch tierische Nahrung. Mal ein Mammut, „aber auch Insekten. Denn die sind extrem proteinreich und gesund.“