„Für 2015 sind Kürzungen nicht auszuschließen“
Kreiskämmerer Martin Richter spricht über die Haushaltssperre.
Herr Richter, Haushaltssperre klingt ja ganz schön dramatisch: Gibt es in der Kantine des Kreises jetzt nur noch Tütensuppe und Karo-Kaffee?
Martin Richter: Nein, die Kantine des Kreises arbeitet als selbstständiges, steuerliches Unternehmen.
Woher hat der Kreis überhaupt sein Geld?
Richter: Der Kreis verfügt über eigene Einnahmen etwa aus Mieten, Gebühren, Bußgeldern oder Zuschüssen. Die verbleibende Lücke wird über die Kreisumlage von den zehn kreisangehörigen Städten eingezogen. 2015 waren das 354,6 Mio. Euro bei einem Etatvolumen von 531,6 Mio. Euro. Dabei hat der Kreis planmäßig einen Jahresfehlbetrag von ca. 1 Mio. Euro in Kauf genommen.
Und wofür gibt er es dann aus?
Richter: Der Kreis Mettmann beschäftigt in 16 Ämtern rund 1300 Mitarbeiter. Der Bürger tritt mit der Kreisverwaltung zum Beispiel. im Straßenverkehrsamt bei der Autozulassung oder bei Führerscheinfragen in Kontakt. Aktuell steht die Ausländerbehörde des Kreises Mettmann bei der Bewältigung der steigenden Anzahl an Asylanträgen im Fokus. Fast jeder Bürger wird schon einmal eine Einrichtung des Kreisgesundheitsamtes besucht haben und beim Besuch eines Restaurants oder einer Pommesbude froh sein, dass die Lebensmittelüberwachung des Kreises die Hygienestandards überprüft. Der Kreis stellt die Polizeiverwaltung und sichert die Funktionsfähigkeit der Kreispolizei.
Eine ganze Menge. Aber das war noch nicht alles, oder?
Richter: Weitere wichtige Aspekte der Arbeit sind die Berufskollegs, die Trägerschaft für die Förderschulen oder die Heilpädagogischen Kindergärten. Im Umweltamt wird die Abfallentsorgung genauso wie die Sauberkeit unseres Grundwassers sichergestellt. Der Kreishaushalt ist besonders von den Aufwendungen im Sozialen geprägt. Der Kreis finanziert unter anderem die Hilfe zur ambulanten und stationären Pflege, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, die Grundsicherung, die Sozialhilfe und die Unterkunftskosten für Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben (alleine fast 100 Mio. Euro pro Jahr). Des Weiteren erhält der Landschaftsverband Rheinland im Jahr 2015 nahezu 174 Mio. Euro, für die Erbringung überörtlicher Leistungen insbesondere der Eingliederungshilfe vom Kreis Mettmann, etwa zur Finanzierung der forensische LVR-Klinik in Langenfeld.
Warum kann der Kreis denn zu viel ausgeben?
Richter: Insbesondere gesetzliche, individuelle Rechtsansprüche der Bürger auf Sozialleistungen müssen finanziert werden. Wenn hierdurch unterjährig die Sozialleistungen drastisch steigen und die Planungsgrundlagen nicht mehr zutreffen, ist der Kreis gezwungen, mehr auszugeben, als er einnimmt. In den letzten Jahren sind insbesondere die Hilfe zur Pflege, die Eingliederungshilfe sowie die Unterkunftskosten für Arbeitslosengeld II-Bezieher deutlich gestiegen.
Dürfen Sie überhaupt Schulden machen und wie hoch sind die Zinsen?
Richter: Verluste in einem Haushaltsjahr führen nicht zwangsläufig zu Schulden. Derzeit finanziert der schuldenfreie Kreis seine Defizite aus dem Eigenkapital. Unabhängig davon, dürfen Kreise und Städte Liquiditäts- und Investitionskredite aufnehmen. Die Zinsen hierfür liegen deutlich unter den üblichen Dispozinsen, wie Immobilienkredite auch für Privatleute deutlich günstiger sind als Dispozinsen.
Sie führen die Mehrausgaben auf gestiegene Kosten bei der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege zurück. Was verbirgt sich dahinter und wofür zahlt der Kreis was?
Richter: Die Eingliederungshilfe umfasst eine Vielzahl an Leistungen für behinderte Menschen. Vom Integrationshelfer über ein persönliches Budget für den behinderten Menschen über Hilfestellungen bei der Bewältigung des täglichen Lebens wird eine Vielzahl an Leistungen finanziert. Die Hilfe zur Pflege deckt als Sozialleistung die nicht durch den einzelnen oder die Pflegeversicherung oder Unterhaltsverpflichtete zu finanzierenden Kosten der ambulanten oder stationären Pflege insbesondere im Alter. Eine alternde Gesellschaft — „Demografischer Wandel“ — benötigt auch mehr Leistungen der Hilfe zur Pflege.
Was ist jetzt mit Prestige-Projekten wie dem Neanderland-Steig oder dem Masterplan Neandertal. Muss da gekürzt werden?
Richter: In den derzeit stattfindenden Haushaltsberatungen für 2016 wird zu klären sein, wie es mit diesen Maßnahmen weitergeht. Für 2015 sind auch hier Kürzungen oder Maßnahmeverschiebungen nicht auszuschließen.