Gruiten: Das böse Lotterleben
Historie: Wer vor 300 Jahren gegen Moral und Sitte verstieß, wurde öffentlich bloß gestellt.
Gruiten. Fluchen, streiten und dann auch noch heimlich Kartenspielen: Es gab schon so einiges, was die Kirchenleute in Gruiten gar nicht gern sahen - damals, vor fast 300Jahren. Zumindest nicht am Sonntag, am heiligen Feiertage.
Deshalb wurde kurzerhand ein Gebot erlassen, das derartige Ausschweifungen unter Strafe stellte. Tanzen, kegeln und Trinkgelage in der Dorfkneipe waren fortan tabu. Man war sich einig: "Durch derartige Sabbatschänderei wird Gottes Zorn gereizt".
Der Tag des Herrn sollte nicht entheiligt werden. Bestraft werden sollten sie alle: Die Wirte, die das Lotterleben in ihren Kneipen dulden. Und die Gemeindemitglieder, die sich dazu hinreißen ließen. Die Strafe für Verfehlungen war ziemlich unangenehm. Denn wer sich nicht fügte, wurde "von des Herrn Abendmahl zu seiner Schande ausgeschlossen". Was ja noch nicht mal so schlimm gewesen wäre, hätte man einfach nur durch Abwesenheit glänzen können.
Aber nein, das genügte den Gemeindeältesten und dem Pastor nicht, die sich damals zum sogenannten Consistorium zusammengeschlossen hatten. Stattdessen verkündete der Pastor die Namen der Sünder beim Gottesdienst für alle unüberhörbar von der Kanzel, noch vor dem heiligen Segensspruch.
Und was noch viel schlimmer war: Man konnte sich nicht mehr sicher sein, ob man nicht vom eigenen Nachbarn angeschwärzt wurde. Denn jedermann wurde dazu angehalten, jede Verfehlung sofort anzuzeigen. Dem Schulmeister wurde das zum Verhängnis, er wurde beim Kartenspielen ertappt. Ein anderer, bislang unbescholtener Bürger des Dörfchens soll beim Violinenspiel getanzt haben.
Einen besonders schweren Fall hatten die Gruitener auch zu verkraften: Die Mitglieder des Consistoriums brachen ihre eigenen Regeln und kehrten im Wirtshaus ein.
Gelegentlich wurden die Sünden auch verziehen. Für ein paar Reichstaler in die Kasse der Kirchengemeinde...