Haan / Notunterkunft: Aus eigener Kraft kommt da keiner raus
Das Leben in den Wohnheimen ist für die Obdachlosen teuer. Aber Alternativen gibt es für die meisten nicht.
Haan. Noch vor neun Monaten nahm Sozialdezernentin Dagmar Formella kein Blatt vor den Mund: "Wir tun nichts. Wir stehen noch bei Null", war damals im WZ-Interview ihr ernüchterndes Fazit in Sachen Obdachlosenbetreuung. Erst die Überlegung, neue Unterkünfte am Heidfeld zu errichten, ließ Verwaltung und Politik darüber nachdenken, die Betroffenen in Wohnen unterzubringen.
Mittlerweile wurde ein dafür notwendiges Betreuungsmanagement auf den Weg gebracht und mit der Caritas ein Sozialverband ins Boot geholt. Im Oktober fiel der Startschuss für die Kooperation, seit ein paar Wochen gibt es erste Kontakte zu den Bewohnern in den Notunterkünften.
"Wir stecken mitten in der Fallarbeit", sagt Sieglinde Barczewski. "Einige der Bewohner haben ihre Einkünfte überhaupt nicht realisiert", sagt die Mitarbeiterin der Caritas-Wohnungslosenhilfe. Im Klartext heißt das: Eigentlich gibt’s Geld von der Arge, aber nicht ohne Formalitäten. Die Anträge werden jetzt nachgeholt. Denn die Arge übernimmt auch die Kosten für die Notunterkunft, die jeden Monat anfallen. Und die sind mit durchschnittlich 15 Euro pro Quadratmeter nicht gerade preisgünstig.
"Wohnen kostet Geld, auch in der Notunterkunft. Wenn die Arge die Kosten nicht übernimmt, machen die Leute ständig Schulden. Nach ein paar Jahren kommen so schnell etliche tausend Euro zusammen", sagt Klaus Gärtner, Koordinator der Wohnungslosenhilfe.
Alternativen zur Notunterkunft gibt es kaum. Deren Bewohner können sich eigene vier Wände nicht leisten, weil das Geld für Kaution, Renovierung und Möbel fehlt. Das gilt vor allem für diejenigen, die als Geringverdiener ein eigenes Einkommen und damit keinen Anspruch auf Hartz IV haben. Andere finden trotz genügend Geld niemanden, der ihnen eine Wohnung vermieten will. Viele Vermieter stolpern schon über die Anschrift.
Dabei sei es längst nicht so, dass ehemalige Bewohner der Notunterkünfte in ihrem neuen Wohnumfeld automatisch für Unruhe sorgen. "Und wenn das doch so sein sollte, kümmern wir uns darum", sagt Sieglinde Barczewski. Denn ohne Nachbetreuung geht gar nichts. "Dann würden wir die Leute vorn zur Tür rausschicken, und hinten kommen sie mit noch mehr Schulden und Problemen wieder rein".
Eine Zeitlang kommen viele bei Bekannten unter und lassen sich ausnutzen. Frauen bezahlen mit ihrem Körper, Männer geben ihr letztes Hemd ab. Irgendwann landen die meisten doch wieder auf der Straße. Betteln, Schnorren, Prostitution: Ohne Geld zu überleben, kostet das letzte Stück Selbstwertgefühl. Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und Drogen gehören zum Kreislauf, der letztlich in der Obdachlosenunterkunft endet.
"Viele kommen aus eigener Kraft dort nicht mehr raus", sagt Klaus Gärtner. Um den Übergang in ein geregeltes Leben leichter zu machen, haben Stadtverwaltung und Caritas ein engmaschiges Betreuungsmanagement vereinbart. "Die Stadt schließt mit Vermietern Probemietverträge ab, die später auf die Mieter überschrieben werden", erläutert Klaus Gärtner.
Damit liege das Risiko nicht bei den Vermietern, so der Koordinator der Wohnungslosenhilfe. Allerdings gestalte sich die Wohnungssuche dennoch schwierig. Gärtner: "In Haan gibt es wenig preiswerten Wohnraum". Und es gibt immer noch zu wenig Vermieter, die Obdachlosen eine Chance geben.