Haaner Bauunternehmer soll Gelder veruntreut haben
Gegen 150 000 Euro könnte das Verfahren eingestellt werden.
Mettmann/Wuppertal. Acht Jahre hatte es bis zum Prozessauftakt gedauert. Gestern nun begann das Strafverfahren gegen einen Haaner Bauunternehmer, der durch die Beschäftigung von 87 polnischen Arbeitern als „Scheinselbständige“ auf Baustellen in Haan, Hilden, Mettmann, Solingen und Düsseldorf in 17 Fällen Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut haben soll. Durch die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen soll ein Schaden von mehr als 500 000 Euro entstanden sein. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem besonders schweren Fall, bei einer Verurteilung droht dem Angeklagten eine mehrjährige Haftstrafe. Das Verfahren gegen einen ebenfalls angeklagten Mitgeschäftsführer war zuvor gegen die Zahlung einer Geldbuße von 6000 Euro eingestellt wurden.
Und auch gestern signalisierten sowohl die Kammer als auch die Verteidigung, das eine Verfahrenseinstellung durchaus in Betracht kommen könnte. Dazu hatte es bereits im Vorfeld der Verhandlung einen schriftlichen Austausch gegeben. Bislang allerdings lagen die Vorstellungen über die Höhe der zu zahlenden Geldbuße zu weit auseinander. Die von der Kammer in den Raum gestellten 150 000 Euro seien für seinen Mandanten unbezahlbar, ließ dessen Verteidiger das Gericht wissen. Der 47-jährige Angeklagte lebe nach der Insolvenz der Hausbau NRW GmbH, für die er damals geschäftsführend tätig gewesen sei, mittlerweile von den jährlichen Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 9000 Euro. Das wiederum wollte das Gericht offenbar nicht glauben. „Sie waren noch bis vergangenen Freitag im Internet als Ansprechpartner für alle möglichen Belange, unter anderem für den Hildener Meditower aufgeführt“, ließ der Vorsitzende Richter den Angeklagten wissen.
Der wiederum schien unübersehbar unter den Folgen des sich über Jahre hinziehenden Verfahrens zu leiden. „Das hat alles wie ein Damoklesschwert über der Familie geschwebt“, ließ der Verteidiger des Angeklagten das Gericht wissen. Auf eine dreiwöchige Untersuchungshaft und seine Kinder angesprochen, rieb der sich die Augen. Selbst äußern wollte er sich zu den Vorwürfen hingegen nicht. Dafür ließ er über seinen Anwalt das Unverständnis darüber kundtun, warum der ehemals mitangeklagte Geschäftsführer mit der Zahlung einer Geldbuße von 6000 Euro aus dem Verfahren entlassen worden sei, während ihm selbst eine unverhältnismäßig hohe Summe von besagten 150 000 auferlegt werden solle. Das Gericht begründete diese Entscheidung mit einer vermögenden Familie im Hintergrund, die nun dafür eintreten könne.
Als sich gestern die Türen hinter den Verfahrensbeteiligten schlossen, war zuvor ein Rechtsgespräch angekündigt worden. Zuvor hatten beide Seiten nochmals bekräftigt, eine Einstellung des Verfahrens anstreben zu wollen — nicht zuletzt deshalb, weil unzählige Zeugen aus dem Ausland zum Prozess geladen werden müssten.
Am Rande des Geschehens eröffnete das Verfahren einen Einblick in die kritische Lage einer zunehmend überlasteten Justiz. Vier Jahre lang hatte der Vorsitzende Richter zuvor darauf gedrängt, von anderen Verfahren entlastet zu werden, um sich diesem Mammutprozess mit einer Hauptakte von mehr als 3000 Seiten widmen zu können. Im kommenden Jahr hätte die Verjährung des Verfahrens gedroht. Bis zum Jahresende sind 30 Verhandlungstage angesetzt — es sei denn, man einigt sich doch noch auf die Zahlung einer Geldbuße und die Einstellung des Verfahrens.