Herztag in Mettmann „Generell wird das Thema Infarkt unterschätzt“

Mettmann · Das Thema Infarkt wird nach wie vor unterschätzt. Beim Herztag am Sonntag im EVK wollen Georg Haltern und seine Kollegen fürs Thema sensibilisieren.

Chefarzt Kardiologie Georg Haltern und Chefarzt Lothar Scheuble klären übers Herz auf.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Valeska von Dolega

führte das Gespräch

Herr Dr. Haltern, noch nie standen so viele Deutsche kurz vor ihrem 60. Geburtstag, was passiert ab 60 im Körper?

Haltern: Das ist richtig, die Zahlen des statistischen Bundesamts besagen: 18,2 Millionen Menschen sind älter als 65 Jahre. Das entspricht etwa 22 Prozent der Deutschen Bevölkerung. Und tatsächlich, die Organe im Körper verändern sich im Laufe des Lebens. Die Frage, warum der Mensch altert, hängt auch mit genetischen Veränderungen zusammen. Kurz gefasst bedeuten diese genetischen Veränderungen, dass beispielsweise Reparaturmechanismen nicht mehr so funktionieren, wie in jungen Jahren. Auch das Herz verändert sich mit zunehmendem Alter. Es vergrößert sich, bekommt dickere Wände, die etwas steifer werden.

Wie sieht das gealterte Herz aus?

Haltern: Mit zunehmendem Alter verdicken sich die Wände des Herzens, die Vorkammern vergrößern sich. Aber auch die Gefäße verändern sich. Arterien beispielsweise sind Muskelschläuche und die werden dicker, zeitgleich baut sich das elastische Gewerbe ab. Das sieht man in bildgebenden Verfahren wie beispielsweise in einem Ultraschall.

Wo liegen in der Kardiologie des EVK Altershöhepunkte in der Behandlung von Infarkten bei Frauen und bei Männern?

Haltern: Auf 100 000 Einwohner kommen im Jahr etwa 230 Patienten mit Herzinfarkten. Das ist eine bundesweite Zahl, die sich im EVK Mettmann spiegelt, wir sind da absolut repräsentativ. Im Jahr 2021 haben wir 220 Patienten mit akutem Herzinfarkt interventionell behandelt. Auch Altershöhepunkte für Infarkte lassen sich definieren, bei Männern liegt er durchschnittlich bei 63,4 Jahren, bei Frauen bei etwa 73 Jahren. Frauen gelten durch Hormone geschützt, das verlängert manchen Alterungsprozess um einige Jahre. Generell ist aber zu sagen, das Thema Infarkt wird unterschätzt. Zumal, weil Beschwerden nicht konkret beim Arztbesuch benannt oder verharmlost werden. Das kann gefährlich werden.

Was sind „Fahrlässigkeiten“, die sich irgendwann rächen?

Haltern: Eine Arteriosklerose beginnt bereits im Alter von 20 Jahren, dann treten die ersten Veränderungen auf. Die Frage ist, welchen Risikofaktoren der junge Mensch sich aussetzt. Eine ungesunde Ernährung mit viel Fast Food ist schlechter als eine mediterrane Diät mit frischem Gemüse und Obst. Ein hoher Cholesterinspiegel zählt zu den Dingen, die ebenso schaden, wie das Rauchen. Denn jeder Tag, den ich aufs Rauchen verzichte, fördert die Gesundheit. Und als junger Mensch kann ich Spaß daran entwickeln, mich gesund zu ernähren. Das zahlt sich später aus.

Welche Rolle spielt Übergewicht fürs Herz?

Haltern: Übergewicht ist aus verschiedenen Gründen schädlich. Einerseits fördert es den Gesamtstress, der auf den Gefäßen lastet. Neben diesem oxidativen Stress hat Übergewicht unter anderem Auswirkungen auf die Insulin-Empfindlichkeit der Gewebe, also die Blutzuckerregulierung. Kommen Übergewicht und ein geschädigtes Herz zusammen, bedeutet das meist noch mehr Bewegungsarmut. Das Herz passt sich nicht dem Körpergewicht an. Plakativ gesprochen: Ein Schwerlasttransporter kann nicht von einem PKW gezogen werden. Das Verhältnis von Zugmaschine und dem zu ziehenden Gefährt müssen stimmen.

Wie schlimm sind erhöhter Cholesterinspiegel oder hoher Blutdruck als Risikofaktoren für Herzerkrankungen?

Haltern: Vor allem mit steigendem Lebensalter sollte der Cholesterinspiegel regelmäßig gecheckt werden. Die gesunde Ernährung, ich empfehle die sogenannte mediterrane Diät mit viel Gemüse, wirkt sich positiv auf den Cholesterinspiegel aus. Er ist aber auch pharmakologisch einstellbar. Und Bluthochdruck ist ein stiller Killer. Er ist nicht nur ein Risikofaktor, am Herz zu erkranken. Er gefährdet massiv die Autonomie im Alter – Stichwort Schlaganfall.

Welche Routine-Checks empfehlen Sie beim Hausarzt oder Kardiologen?

Haltern: Ab 50 Jahren sollte einmal im Jahr als sogenannte Primärprävention ein kardiologischer Check-up beim Hausarzt vorgenommen werden. In der Kardiologie des EVK sehen wir Patienten, die Brustschmerzen haben oder über Luftmangel bei Belastung klagen. Wir haben hier alle medizinischen Untersuchungsmöglichkeiten, sind bestens ausgerüstet.

Herzwoche am EVK ist wichtig, weil …?

Haltern: Wir beteiligen uns an den Herzwochen mit einem „Herztag“, um so gut wie möglich zum Thema Herzerkrankungen aus Expertensicht zu informieren und aufzuklären. Das ist deshalb wichtig, weil viel zu wenig über Herzkrankheiten gesprochen wird. Mitbürger dürfen Fragen stellen und Symptome beschreiben, generell sollten Menschen für die Risiken einer Herzerkrankung sensibilisiert werden. Als Besucher des Herztages kann ich mir Vorträge anhören, aber die Ärzte als Experten auch ausfragen oder das Gespräch suchen. Diesmal stellen wir das Thema Vorhofflimmern in den Mittelpunkt, es geht aber auch um Bluthochdruck, unsere Behandlungsmöglichkeiten im Herzkatheterlabor und die Herzschwäche.