Katholische Kirche in Mettmann und Wülfrath Und der Pfarrer ging zum Regenbogen
Mettmann · Plötzlich war er im Sommer bundesweit bekannt: Msg. Pfarrer Herbert Ullmann aus Mettmann hatte Ende März einen Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare abgehalten. Hier erinnert er sich an das, was danach geschah.
Weite und Toleranz sollten in der katholischen Kirche zu Hause sein. „Dazu mehr ausstrahlende Freundlichkeit und Gelassenheit“, sagt Pfarrer Monsignore Herbert Ullmann mit einem Schmunzeln. All das wünscht er der Pastoralen Einheit Mettmann und Wülfrath für die bevorstehenden Festtage ebenso wie für das Jahr 2024.
Wie eng die Amtskirche manchmal werden kann, hat Ullmann im jetzt zu Ende gehenden Jahr am eigenen Leib erfahren müssen. Eine anonyme Anzeige aus dem Kreis der Gemeinde unmittelbar an die richtige Stelle im Vatikan in Rom hat Herbert Ullmann viele Tage lang in die Schlagzeilen der überregionalen Presse gebracht.
„Plötzlich war mein Bild in der Bild-Zeitung – damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Ullmann rückblickend. Für viele Journalisten ist der Pfarrer aus Mettmann inzwischen einer, der sich was traut. Vorbereitet durch die „Arbeitsgemeinschaft Regenbogen – Kirche für alle“ hatte Herbert Ullmann am 26. März einen Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare abgehalten. Neben der queren Gemeinschaft waren auch ausdrücklich die Geschiedenen und Wiederverheirateten angesprochen. Ungewöhnlich für die katholische Kirche: Regenbogenflaggen schmückten den Altarraum in der Pfarrkirche St. Thomas Morus. Bis heute sagt Ullmann: „Ich möchte Menschen für die Kirche und für Jesus Christus gewinnen und nicht ausschließen.“
Diese Haltung mit Rückgrat hat den Pfarrer aus Mettmann zu einem deutschlandweit gefragten Gesprächspartner gemacht. Das wurde noch in der zurückliegenden Woche deutlich, als eine Erklärung aus Rom die Segnung von „irregulären Paaren“ überraschend zuließ, zugleich aber in Wortwahl und Rahmenbedingungen deutlich machte, dass dies bestenfalls ein zaghafter erster Schritt sein kann.
Im konservativen Katholizismus bleibt die Segnung von gleichgeschlechtlichen oder wieder verheirateten Paaren verpönt. Von Rom über Köln erreichte Herbert Ullmann zur Jahresmitte ein Bannstrahl mit zwei wesentlichen Auflagen: Er musste zusagen, solch einen Segnungsgottesdienst wie im März nie wieder durchzuführen. Und er soll innerhalb seiner Pastoralen Einheit Mettmann/Wülfrath darauf hinwirken, dass solche Bestrebungen keinen Platz mehr haben.
Der 63-jährige Geistliche hat zugesagt, sich an die Auflagen zu halten: „Ich möchte niemandem einen Grund geben, mich vorzeitig aus Mettmann abzuberufen.“ Im Sommer/Herbst 2025 will Herbert Ullmann wie geplant in den Ruhestand gehen und bis dahin in seiner streitbaren, ihm in mehr als zehn Jahren ans Herz gewachsenen Gemeinde bleiben. Seit dem Teilschwenk des Vatikan vor wenigen Tagen reklamiert Ullmann mehr Handlungsfreiheit für die Geistlichen vor Ort und sagt, in Mettmann und Wülfrath werde man Wege finden, auf suchende Menschen zuzugehen.
Zugleich erinnert er daran, dass die Regenbogen AG nicht aus einer Laune heraus in Mettmann entstanden ist. Vorausgegangen waren 2022 zwei große Gemeindeforen zum schwindenden Vertrauen in die katholische Kirche. St. Lambertus war am ersten dieser Abende gut besucht. Und die Diskussion machte Ullmann Mut: „Es wurde konstruktiv nach Lösungen gesucht, wie wir verlorenes Vertrauen in die Kirche zurückgewinnen und die Kirche zugleich nach vorn bringen können.“ Aus diesen Foren entstand die Arbeitsgruppe engagierter Christinnen und Christen, die sich nicht allein mit der queren Community beschäftigt, sondern mit der Stellung der Geschiedenen, Wiederverheirateten oder etwa der Rolle der Frau in der katholischen Kirche.
„‚Sie segnen die Sünde‘,
wurde mir vorgeworfen“
„Die Katholische Kirche ist eine Kirche der Frauen, denn ohne sie würde in den Gemeinden nur sehr wenig laufen. Diese Kirche der Frauen aber wird geleitet von Männern“, fasst Ullmann die Situation zusammen. Auch die Formen des Zusammenlebens hätten sich in der Lebenswirklichkeit der Gläubigen viel bunter entwickelt als es die römisch-katholische Lehre zuzugestehen vermag. Hier sei es wichtig, dass die Kirche die Lebenswirklichkeit anerkenne. Herbert Ullmann spitzt die Fragestellung so zu: „Wollen wir eine Kirche des Volkes sein oder eine kleine Sekte des heiligen Restes?“
Wenn es nach Herbert Ullmann geht, müsste sich der Klerus und müssten sich die Geistlichen viel mehr zurücknehmen. Und er wünschte sich eine Gemeinde, die handelt, statt nur folgt. Sein Idealbild ist das einer christlichen Gemeinschaft, in der jeder etwas nach seinen Talenten und Fähigkeiten beitragen kann und der Pfarrer Menschen dazu ermuntert, sich einsetzen anstatt so wie ein Kaiser den Daumen rauf oder runterzumachen.
Herbert Ullmann hat 2023 erfahren müssen, dass es eine kleine, aber sehr laute Gruppe innerhalb der Katholischen Kirche gibt, die solch liberale Ansichten nicht teilt, sondern die Welt nach den Vorgaben der römisch-katholischen Amtskirche betrachtet. „‚Sie segnen die Sünde‘, wurde mir vorgeworfen“, sagt Ullmann. „Wenn überhaupt, dann segne ich einzelne Sünder – und das ist meine Aufgabe“, habe er entgegnet. „Schon wenn ich bei mir selbst anfange, finde ich viel mehr Anlässe und Verfehlungen zu beichten, als mir lieb ist“, sagt Ullmann. Ein anderes Mal fragte er Kritiker gerade heraus: „Warum glauben Sie, dass ich meine Aufmerksamkeit von Ihnen wegnehme, wenn ich mich auch mit Menschen beschäftige, die anderen Lebensmodellen folgen?“
Er selbst sei nicht immer so offen gewesen, gibt der Seelsorger aus Mettmann zu. „Kollegen, die mit mir vor 44 Jahren das Theologiestudium begonnen haben, staunen manchmal. „‚Du warst doch damals eine ziemlich schwarze Socke’, sagen sie“, berichtet Ullmann. Auch dass ihn Kardinal Meisner in zwei Institutionen der Priesterausbildung berufen habe, zeige, dass er mal konservativer geprägt war. „Aber es ist doch gut, dass man sich mit der Zeit weiterentwickelt.“
Seine Hoffnung ist, dass auch andere ihren Blick heben. „Mich hat immer die Weite fasziniert, die in der katholischen Kirche möglich ist“, sagt Ullmann. Unter diesem Dach sei Platz für das irisch-katholische mit seinen keltischen Einflüssen und für die afrikanische Liturgie, die in uralten Riten wurzele. „Manchmal fürchte ich, dass diese Weite verloren geht, weil Unsicherheit und Ängstlichkeit stärker zu werden scheinen.“