Prozess um Messerstecherei in Mettmann gestaltet sich zäh
Bei Streitigkeiten an der Mettmanner Talstraße erlitt das Opfer lebensgefährliche Verletzungen. Der Täter floh nach Schweden.
Mettmann. Dass sich Zeugen ein Jahr nach einem Tatgeschehen nicht mehr genau erinnern können, gehört für ein Gericht wohl zum Alltag. War zudem noch Alkohol im Spiel, wird es oftmals noch diffuser mit dem Erinnerungsvermögen. Was allerdings die Schwurgerichtskammer am Wuppertaler Landgericht derzeit an Erinnerungen, Wahrnehmungen und vermeintlichen Interpretationen zu entwirren hat, darf man durchaus als Herausforderung bezeichnen. Ein kurzer Rückblick: In der Nacht zum 29. Oktober des vergangenen Jahres kam es in der städtischen Notunterkunft in der Talstraße in Mettmann zu einer Messerstecherei. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt, der vermeintliche Täter floh nach Schweden und wurde dort später aufgegriffen und in die Justizvollzugsanstalt Wuppertal überstellt.
Schon beim Prozessauftakt vor zwei Wochen ergab sich jedoch ein gänzlich anderes Bild der Geschehnisse, da weder Täter noch Opfer in der Unterkunft wohnten, sondern dort an besagtem Abend nur zu Besuch waren. Immer wieder soll es zu Streitereien zwischen dem vermeintlichen Täter und seinem späteren Opfer gekommen sein. Beleidigungen, laute Worte oder gar Androhung von Gewalt soll es hingegen nicht gegeben haben. Dass zumindest sagte gestern eine Zeugin aus, die den Abend gemeinsam mit Opfer und Täter verbracht haben will. Nicht nur Richter Robert Bertling war an dieser Stelle sichtlich irritiert, weil sehr wohl immer wieder von einem Streit die Rede war, von dem jedoch bislang niemand so genau sagen konnte, wie er denn nun genau abgelaufen sein soll.
Klar ist hingegen, dass Täter und Opfer ein sexuelles Verhältnis zu einer gemeinsamen Bekannten gehabt haben sollen, die am Tatabend ebenfalls mitgefeiert hatte. Eifersucht wäre zwar ein Tatmotiv — allerdings will der mutmaßliche Täter erst nach der Tat von diesem prekären Dreiecksverhältnis erfahren haben.
Jedes Detail muss immer wieder hin und her übersetzt werden, was es kompliziert macht, sich aufdrängende Fragen präzise beantworten zu können. Zurück bleibt der Eindruck, dass auf dem Weg vom Richter über diverse Dolmetscher bis hin zum Angeklagten oder den Zeugen irgendetwas falsch verstanden oder ungesagt bleiben könnte. Besonders deutlich wurde das gestern bei der Vernehmung eines Zeugen, der als einziger das Opfer verletzt durch den Hausflur laufen gesehen haben will. Dahinter hätten zwei Frauen das Blut von der Treppe gewischt. Niemand sonst konnte diese Tatversion bislang bezeugen — derweilen wurde von allen Seiten behauptet, die Tat habe sich vor der Unterkunft zugetragen. Aber warum sollte der Zeuge, der damals noch in der Unterkunft wohnte und das Geschehen nach der Tat beobachtet haben will, dem Gericht eine Geschichte erzählen, die sich so nicht zugetragen hat? Er kennt weder Täter noch Opfer und beharrte vehement auf seiner Aussage.
Klar wird hierbei vor allem eines: In einem Haus, in dem keiner den Anderen wirklich kennt, in dem viele Sprachen gesprochen werden und in dem dazu auch noch viele Gäste ein und aus gehen, mag man vieles sehen oder hören, ohne nachher zu wissen, was genau von wem gesagt oder getan wurde. Der Prozess geht jedenfalls weiter.