Brauchtum Ein Mann, ein Mantel, eine Legende: St. Martin ist zurück

Mettmann/Erkrath/Wülfrath · Der Legende nach kam Martin von Tours im Jahr 316 in einer römischen Provinz im heutigen Ungarn zur Welt. Als römischer Soldat versetzte man ihn später nach Gallien, heute Frankreich. Dort soll er dem Vernehmen nach um das Jahr 334 vor dem Stadttor von Amiens an einem bitterkalten Wintertag einem Bettler begegnet sein.

Der berühmteste Martin der Geschichte wird jetzt wieder mit Martinsumzügen und Weckmännern rund um seinen angestammten Termin am 11. November gefeiert.

Foto: Ullstein

Spontan teilte Martin seinen Mantel und überreichte dem Fremden einen Teil davon. In der anschließenden Nacht erschien Martin im Traum Jesus Christus. Dies war für ihn der Anlass, sich taufen zu lassen.

Er trat aus dem Militärdienst aus, wurde Priester und Bischof von Tours. Wegen seines vorbildlichen Lebens verehrten ihn zahlreiche Menschen seit seinem Tod um das Jahr 400. Der Rest ist Geschichte, der 11. November wird als Martinstag gefeiert; es ist jener Tag, an dem er als Bischof von Tours begraben worden ist.

Bekanntester Ausdruck dieser Verehrung sind nach wie vor die Martinszüge. Der Ursprung der Laternenumzüge ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Einen heidnischen Hintergrund scheinen sie jedoch nicht zu haben, sondern sollen aus der christlichen Liturgie herrühren. Zum Martinstag wurde beispielsweise im 10. oder 11. Jahrhundert in Italien ein Lukas-Evangelientext verlesen. In dem ist zu lesen, man solle brennende Laternen in die Hände nehmen, wobei das Licht symbolisch für das Licht des Glaubens steht.

Ob die Menschen auch schon im Mittelalter Umzüge unternommen haben, ist nicht klar – weil nicht überliefert. Diese lassen sich sicher erst für das 19. Jahrhundert nachweisen. Im Zusammenhang mit Bibelschriften und der Lichtsymbolik wurden und werden auch die Feuer an diesem Tag entfacht.

„Martini“ markierte am 11. November aber auch landwirtschaftlich einen wichtigen Tag im Kalender: Es war das Ende des Weidejahres für die Bauern, an dem sie ein üppiges Mahl zu sich nahmen, oft mit einer Gans. Vielerorts wurde die Pacht an diesem Tag gezahlt und das Gesinde durfte den Arbeitgeber wechseln. Diesen arbeitsfreien Tag nutzten sie, um nach allen Regeln der Kunst zu feiern und dabei reichlich zu trinken. Denn der Martinstag war zugleich der Tag vor dem Beginn der Fastenzeit vor Weihnachten. Fleischkonsum war dann tabu, ebenso wie Eier, weswegen zu den klassischen Köstlichkeiten am Martinstag auch Gebäck und Pfannkuchen gehören.

Auch im Rheinland aßen die Menschen am Martinstag ausgiebig. Dann wurde dort geschlachtet, wie es in einigen Martinsliedern besungen worden ist. Und dann sind natürlich zahlreiche Riten und Bräuche überliefert, beispielsweise der, Äpfel, Rüben und Nüsse ins Haus zu bringen, das Licht zu löschen und sich auf die Früchte zu stürzen. Wer eine Rübe erwischte, wurde von den anderen ausgelacht. Bei einer vergleichbaren Geschichte wird der sogenannte Martinssack mit Äpfeln, Nüssen, Kartoffeln und Zuckerzeug gefüllt, im Dunkeln aufgehängt und aufgeschlitzt. Alles fällt auf den Boden, jeder versucht Äpfel, Zuckerzeug und Nüsse aufzuklauben – denn wer eine Kartoffel oder Rübe aufhob, hatte nur das Zweitbeste erwischt.

Der heilige Martin war vor allem für seine Bescheidenheit bekannt: Als er zum Bischof geweiht wurde, soll er sich im Gänsestall versteckt haben, um der ganzen Aufmerksamkeit zu entfliehen. Das wilde Schnattern der Gänse verriet ihn jedoch. Bis heute ist die Gans aber ein Zeichen für den Heiligen Martinus. Wer das Fest ganz traditionell feiern möchte, bereitet zum Martinstag eine Martinsgans im Ofen zu. Ein weiterer Brauch ist das Backen von Hefegebäck in vielfältigen Formen. Werden in Süddeutschland sogenannte Martinsgänse gebacken, ist es im Rheinland der Weckmann. Die kleine Pfeife, die ihn oft ziert, symbolisiert den Bischofsstab von St. Martin.

Immer seltener wurde in den vergangenen Jahren das Ziehen der Kinder mit ihren Laternen von Tür zur Tür. Bei den Nachbarn singen sie und erhalten Obst oder Süßigkeiten dafür. Dieses Bitten um Gaben zu St. Martin ist im Rheinland ein alter Brauch, der sich bereits im 16. Jahrhundert in Köln nachweisen lässt. Auch dieses Gesinge trägt verschiedene Namen, im Bergisches ist es als „Mätensingen“ bekannt, die Düsseldorfer nenen es „Gripschen“. Im 19. Jahrhundert zogen die Kinder mit Laternen unter anderem aus Rüben, die auf einen Stock gestelzt wurden, von Nachbar zu Nachbar. Dort sangen sie ihre Lieder. Aber einige Erwachsene verbarrikadierten sich an diesem Abend regelrecht. Öffnete einmal jemand seine Türe nicht, verspotteten sie ihn in ihren Liedern als „Geizkragen“. Mancherorts artete dies in lärmendes und wildes Treiben mit Schellen und Trompeten aus, in Zeitungen wurde gar von einer Plage gesprochen. Zumal die Kinder nicht gerade zimperlich ihre Spottlieder vortrugen. Bei Gerangel entpuppten sich außerdem die Rübenlaternen zu einer Brandgefahr in den Städten.

Dieses wilde Umherziehen fand sein Ende: So kam es schließlich zu den ersten geordneten Martinszügen. Es entstanden in der Folgezeit regelrechte Martinsvereine. Dort ritt der Heilige Mann auf einem Pferd vorweg.

Am Martinsfeuer wird die Legende erzählt, noch heute ziehen Kita- und Grundschulkinder beispielsweise in Metzkausen von der Grundschule ab, die dann auch wieder ihr Ziel ist, und wo die Martinsweckmänner ausgeteilt werden.