Stadtwerken droht Klage-Flut
Mehrere hundert Kunden erhielten seit 2010 Preisaufschläge. Diese waren aber laut Bundesgerichtshof nicht rechtens.
Das Aktenzeichen 27C73/14 hat es in sich. Unter dem Kürzel hat das Amtsgericht Mettmann jetzt entschieden, dass Preiserhöhungen der Stadtwerke Wülfrath in den vergangenen fünf Jahren für Kunden, die einen so genannten Gas-Spar-Tarif haben, nicht rechtens waren. Rechtsanwalt Peter Leifeld vertritt allein sechs Kunden, die gegen die unrechtmäßigen Preiserhöhungen geklagt haben. „Mit dem Urteil ist klar, dass die Praxis grundsätzlich nicht rechmäßig war“, sagt Leifeld.
Auch die anderen Prozesse werden die Stadtwerke wohl verlieren, sagt er, denn die Lage sei identisch. Damit drohen den Stadtwerken Wülfrath hohe Rückzahlungen an die Kunden. Stadwerke-Chef Ulrich Siepe bestätig, dass es „mehrere hunderte solcher Sondervertragskunden“ gibt. Im jetzt entschiedenen Fall muss das Versorgungsunternehmen mindestens 700 Euro zurückzahlen. Damit drohen dem Unternehmen Rückzahlungen, möglicherweise sogar in Millionen-Höhe, befürchtet Siepe.
Er kritisiert das Urteil, denn die bisherige Rechtsprechung habe die Fakten anders bewertet. Und es könnte noch schlimmer für die Stadtwerke kommen. Leifeld schätzt die Lage für „normale Tarifkunden“ ähnlich ein, denn in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen „versteckte“ Möglichkeiten der Preiserhöhung seien jetzt grundsätzlich bewertet worden. Müssten die Stadtwerke auch hier Preiserhöhungen der vergangenen Jahre an die Gas-Kunden zurückzahlen, droht dem Unternehmen ein Millionen-Loch.
Rechtsanwalt Peter Leifeld vertritt sechs Kunden der Stadtwerke, die solche Gas-Spar-Tarife seit 2009 bezogen. Die Verträge gab es für Kunden mit einem Mindestverbrauch von 10 000 Kilowattstunden. Anfangs kostete die Kilowattstunde Gas netto 3,81 Cent. Der Normaltarif lag bei 4,55 Cent, ein lohnender Tarif also. Die Preiserhöhungen ließen nicht lange warten: Am 1. April 2010 erhöhte sich der Preis um 6,3 Prozent, am 1. September nochmal um 12,1 Prozent. Laut Leifeld ist diese Möglichkeit der einseitigen Preiserhöhungen aber in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen „versteckt“. „Sie sind aus der grundsätzlichen Gasversorgungsverordnung einfach in die AGB übernommen worden.“
Das ist laut höchstrichterlicher Gesetzsprechung aber nicht rechtens: Der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof haben diese Praxis gerügt. Das Amtsgericht Mettmann habe die Stadtwerke also folgerichtig zu Rückzahlungen der Preiserhöhungen verurteilt. Die Stadtwerke müssen nun zahlen.
Doch die Stadtwerke haben bereits reagiert: Alle sechs klagenden Kunden hat das Unternehmen Ende 2014 die Gas-Verträge gekündigt und neue Verträge zugeschickt. Rechtsanwalt Peter Leifeld rechnet damit, dass auch Gas-Kunden mit normalen Verträgen gegen Preiserhöhungen klagen können. Laut Siepe beliefern die Stadtwerke etwa 3800 Kunden in der Kalkstadt mit Gas.