Wenn das Leiden kein Ende nimmt

Flüchtlingsfrauen werden in den Unterkünften immer wieder bedroht, geschlagen und misshandelt. Sie haben Anspruch auf Schutz, doch sie trauen den örtlichen Behörden nicht.

Foto: Bretz

Mettmann/Erkrath. Unter den Flüchtlingen, die im Kreis leben, sind 30 Prozent Frauen. Viele von ihnen sind schwanger — manche noch minderjährig. Etliche befinden sich in schwierigen Lebensverhältnissen, die man keiner Frau wünscht. Der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) Mettmann und da ganz besonders die Bereichsleiterin für Frauen und Familie, Rita Rüttger, sowie ihre Mitarbeiterinnen werden mit der Not der Menschen hautnah konfrontiert. „Krieg und Vertreibung, die außergewöhnliche Situation in einem fremden Land und einer fremden Kultur, das Zusammenleben mit fremden Männern auf engem Raum in den Unterkünften bringen auch in Deutschland noch vielfach Leid über die Frauen“, sagt Rüttger. Die Situation sei besorgniserregend, sie schlägt Alarm.

Von 916 Klienten, die die Schwangerschaftsberatung Esperanza des SKFM besuchten, waren im vergangenen Jahr 150 Flüchtlingsfrauen. Immer liegt einem solchen Besuch ein Konflikt zugrunde. Nicht immer sind die Kinder gewollt. Manchmal ist der Vater unbekannt. Die Erlebnisse der Flucht sind traumatisch, die Umstände der Schwangerschaft oft nicht zu klären. „Diese Frauen brauchen unsere Hilfe. Ihrer heimatlichen Umgebung beraubt, können sie viele Dinge einfach nicht wissen: Wie und wo soll ich das Kind gebären? Welche medizinische Hilfe steht mir zu? Was tut eine Hebamme? Sie haben zunächst keinen Zugang zu den Hilfen, die es in unserem Land für sie gibt“, sagt Rüttger. Zur Integration gehört es für sie auch, die ankommenden Frauen fit zu machen für das Leben in Deutschland.

Rita Rüttger, SKFM

„Die Frauen müssen lernen, hier eigenverantwortlich handeln zu können. Sie kommen aus ganz anderen Kulturen, sind vielfach nicht gewöhnt, außerhalb der Familie zu agieren. Sie tun sich schwer, sich auf ihnen unbekannte Menschen zu verlassen“, sagt Rita Rüttger.

Manchmal hat das Leiden auch einen handfesten Grund, wie das jener jungen Flüchtlingsfrau, deren Bruder sich zu ihrem Herrscher aufgeschwungen hatte. Nachdem er die Schwester zum wiederholten Male krankenhausreif geschlagen hatte, versuchte sie sich umzubringen. Jemand rief die Polizei. Der Bruder wurde des Hauses verwiesen, die junge Frau wird betreut.

„Ungefähr jede Woche haben wir einen Fall häuslicher Gewalt aus Flüchtlingskreisen“, sagt Rüttger. „Die Enge in den Unterkünften trägt dazu bei“, weiß sie. „Doch unsere Gesetze gelten auch dort — auch in einer Flüchtlingsunterkunft hat eine Frau Anspruch auf Schutz, und die Polizei kann bei häuslicher Gewalt den Täter der Unterkunft verweisen“, erklärt die SKFM-Bereichsleiterin. Ganz wichtig: „Wir wollen und können den Frauen helfen“, sagt auch Annegret Pollmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath. „Frauen können Schutz bekommen, Männer an einem anderen Ort untergebracht oder Frauen mit Kindern im Frauenhaus aufgenommen werden.“ Viele Frauen hätten jedoch kein Vertrauen zur Polizei, weil schon der Anblick einer Uniform belastende Erinnerungen wecke, so Pollmann.

Ziel der Gleichstellungsbeauftragten und des SKFM ist es, die Helfer für die besonderen Belange der Frauen zu sensibilisieren, damit sie sie an passende Hilfs- und Integrationsangebote vermitteln können. „Nicht alle Flüchtlingsfamilien werden wieder heimkehren. Wir möchten diesen Frauen helfen, dass sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und eigenständig agieren können“, sagt Rüttger. Anlaufstelle für Frauen in der neuen Heimat kann das Frauen-Café an der Neanderstraße 68 sein. Es ist dienstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Dort gibt es Ansprechpartnerinnen.