Arbeiten unter Strom für jeden Menge Volt in der Leitung
Der Netzbetreiber Amprion verstärkt die Strommasten auf einer Trasse. Westnetz zieht neue Leitungen ein — ein Besuch bei den Arbeitern vor Ort.
Ratingen. Bei Facebook waren schon die ersten Bilder mit Menschen hoch oben in der Hochspannungsleitung zu sehen: Viele Bürger fragten sich, was denn dort oben in luftiger Höhe vor sich geht? Zwischen Lintorf in Mülheim-Selbeck arbeitet der Betreiber der Trasse, Amprion aus Dortmund, an elf Masten. Sie werden unter anderem verstärkt, und es werden von Westnetz neue Leitungen auf den noch freien Traversen gespannt. Es geht um die Versorgungssicherheit von Selbeck, erläuterte Dr. Andreas Preuß von Amprion. Gestern ging es über die Autobahn A524.
Wer nicht zufällig nach oben blickt, dürfte von den Arbeiten nur wenig mitbekommen. Fast alles spielt sich zwischen Himmel und Erde ab — auf den etwa 50 Meter hohen Masten und an den bereits existierenden Leiterseilen. So nennen die Fachleute die mehr als Daumen starken Trossen. Matthias Becher, Baukontrolleur bei Amprion, erklärt das Innenleben: „Der Kern besteht aus einem Stahlseil, das als Träger dient. Der Strom selbst fließt im Aluminiummantel.“ Denn Strom habe die Eigenschaft, immer nur außen zu fließen — der sogenannte Skin-Effekt. In vielen Umspannwerken gebe es daher nur noch Hohlleiter.
Auf einer Seite der Strommasten hängen bereits 380-Kilovolt-Leitungen als Vierer-Pack, sie werden von der RWE-Tochter Westnetz betrieben. Darunter und auf der anderen Seite, folgen nun weitere 110-Kilovolt-Leitungen. Mannshoch ist die Trommel mit 2500 Metern Seil. Das wiegt fast drei Tonnen. Daneben steht die Seilwinde, sie die über Rollen im Mast in die Höhe zieht.
Matthias Becher, Baukontrolleur
Über der Autobahn A 524 fährt eine Art Laufkatze hin und her: Ein Korb mit Arbeitern, die erst ein Vorseil zwischen den Masten spannen, das dann den eigentlichen Leiter zieht. Unterm Korb hängt ein großes Netz: „Das soll verhindern, dass Werkzeug oder Ähnliche nach unten fällt“, so Becher. Die Arbeiter selbst seien gesichert.
Gestern blies es ganz ordentlich und zwischendurch regnete es Bindfäden. Kein Grund zur Pause. „Wir arbeiten bei jedem Wetter. Ausnahmen gibt es nur bei Gewitter oder vereisten Masten“, sagte Becher. Wie gefährlich sind solche Arbeitsplätze? „Mir ist aus den vergangenen Jahren kein einziger Unfall in den Masten bekannt“, sagt Preuß. Nun bei einem Fundamentbau sei mal jemand von einer Leiter gestürzt. Wenn sich die Arbeiten in den Masten und auf den Traversen bewegten, seien sie immer gesichert, ähnlich wie Bergsteiger.
An älteren Masten, wie sie in Lintorf zu finden sind, musste zunächst immer ein Leitungsbauer hochklettern, um so eine Art Liftleine zu installieren, mit der die Kollegen sowie das Material hochgezogen werden. Künftig wird diese kraftraubende Arbeit wegfallen: Denn im Zuge der Sanierung werden sogenannte Steigschutzeinrichtungen an den Masten installiert. Damit soll es künftig schneller und einfacher hochgehen.
Insgesamt dauern die Arbeiten an den elf Strommasten drei Wochen. Vor Ort ist ein Team mit 25 Mitarbeitern — am Boden und in der Luft. Kosten: etwa 500.000 Euro. Die Leiterseile in der Länge von 3,65 Kilometern zwischen Lintorf und der Umspannanlage Selbeck werden vom Verteilnetzbetreiber Westnetz aufgelegt. Preuß: „Hintergrund sind Umstrukturierungen im Amprion-Übertragungsnetz, die für eine weiterhin sichere Stromversorgung in der Region notwendig sind.“