Das Neueste aus dem Dorf
Serie 60 Minuten: Tabak, Lotto, Zeitungen: Bei „Zigarren Hamacher“ wird nicht nur eingekauft — es gibt auch die aktuellsten Dönekes.
Lintorf. Hier werden Träume vom großen Geld geträumt, die Sehnsüchte nach der Welt der Schönen und Reichen gestillt, die kleine Süchte befriedigt und vor allem Neuigkeiten ausgetauscht: Tabak, Lotto und Zeitschriften — der Laden „von Sven Lehnecke am Konrad-Adenauer-Platz ist die Nachrichtenbörse im „Dorf“ schlechthin, und das nicht nur wegen der großen Schlagzeilen der ausliegenden Zeitungen.
„Hab’ ich hier vielleicht meine schwarze Mappe liegengelassen?“, fragt eine ältere Dame im Webpelzmantel. „Die mit den 1000 Euro?“, scherzt Lehnecke. „Ne, mit 4000“, kontert die Dame schlagfertig. „Ich bin erst hergezogen, da steht noch die alte Adresse drin.“ Zwischen Lottoschein abgeben und Frauenzeitschrift auswählen, mischt sich eine andere Kundin ein: „Vielleicht ist die Mappe im Auto zwischen die Sitze gerutscht. Ist mir auch mal passiert.“
Der Jackpot im Lotto lockt an diesem Vormittag mehr Kunden als üblich ins Geschäft. „Brigitte, wie viele Wochen nehmen wir denn heute?“, fragt Angestellte Margret Doppstadt eine Stammkundin. Die begnügt sich mit „zwei Wochen“. „Acht Millionen will ich gar nicht haben, eine würde mir reichen.“
Eine Frau mit Kinderwagen kauft ein „Schöner-Tag-Ticket“ für 36 Euro und eine Zeitung. Ein Rentner setzt den Fahrradhelm gar nicht erst ab, als er den Laden betritt. „Eine Stange R 6 bitte.“ Er hat es offenbar eilig: bezahlen, einpacken und raus. Für andere Kunden ist das Schwätzchen Pflicht. Zwischen Fernsehzeitung und Zigarillos, Lottoschein und Rheinbahn-Ticket werden neueste Nachrichten ausgetauscht: „Haben alle bei euch Mieterhöhung bekommen?“ — „Woher weißt du das denn schon wieder?“ Der Umgangston ist locker, man kennt sich hier eben.
Marion kommt durch die Tür mit zwei bildhübschen Golden Retrievern. „Oskar“ und Seline“ gehorchen aufs Wort und legen sich vors Zeitschriftenregal — zufällig direkt vor die Hundemagazine. Sven Lehnecke bringt ihnen ein Leckerchen. „Das kriegt hier jeder Hund.“ Marion füllt ihren Lottoschein aus, plaudert noch über das Wetter und die Welt. Zum Abschied eine Umarmung und Wünsche für eine schöne Woche. Im Tabakladen ist man halt eine große Familie.
„Eine große Packung Hülsen, bitte. Hab’ aber nur zwei Euro.“ Dem jungen Mann mit dem schmalen Budget wird ebenso geholfen wie der alten Dame, die eine Schachtel Zigarillos und eine Frauenzeitschrift möchte.
Ein älterer Herr steckt sich neben dem Tresen genüsslich eine Zigarette an. „Ist doch ein Tabakladen“, entgegnet er auf den fragenden Blick eines Kunden hin. Ein Aufkleber an der Tür weist das Geschäft als „Raucherschutzgebiet“ aus.
Ob Anglermagazin oder Rockmusikheft: Die meterlangen Auslagen mit Zeitschriften aller Spezialgebiete verführen manchen Kunden dazu, länger zu blättern als geplant. Sven Lehnecke stört das nicht. Wer jetzt nichts kauft, kauft eben beim nächsten Mal. Und die meisten Kunden kommen wieder.