Ratinger Geschichte Stolpersteine von Schülern gereinigt

Ratingen · Adam-Josef-Cüppers-Berufskolleg: Im Geschichtsunterricht kam die Idee auf, die Stolpersteine zu säubern –  dies zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938.

Bis zum 9. November sind Schüler in der Stadt unterwegs und reinigen diese Orte des Gedenkens.

Foto: RP/Cüppers-Kolleg

Es ist eine sehr wichtige Aktion gegen das Vergessen. Erinnerung wieder sichtbar machen – das war das Ziel der Schüler des informationswissenschaftlichen Gymnasiums des Adam-Josef-Cüppers-Berufskollegs. Zum Gedenken an die Opfer Reichspogromnacht am 9. November 1938 haben sie deshalb die Stolpersteine im Ratinger Stadtgebiet gereinigt.

Anlässlich eines Unterrichtsgangs im Fach Geschichte wollten sich die Schüler der Klasse 13 diese Zeugnisse der Ratinger Stadtgeschichte persönlich anschauen und waren enttäuscht, als sie feststellten, dass einige dieser Stolpersteine sich in einem stark verschmutzen und damit kaum wahrnehmbaren Zustand befinden. „Gerade heute, da in Teilen der Bevölkerung extreme und menschenverachtende Ideologien wieder Anklang zu finden scheinen, wollen wir ein Zeichen setzen“, sagte Tim Elias, der Geschichtslehrer der Klasse.

Idee der Reinigung
kam im Unterricht auf

Im Unterricht kam die Idee auf, die Stolpersteine doch mit einfachen Mitteln wie Metallreiniger, Lappen und ein wenig Wasser wieder sauberzumachen, um das Gedenken an die Menschen, für die diese Stolpersteine verlegt wurden, wieder sichtbar zu machen. Bis zum 9. November sind die Schüler in der Stadt unterwegs und reinigen diese Orte des Gedenkens und setzen damit ein Zeichen.

Der 9. November 1938 ist der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps der Nationalsozialisten jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten. Es ist der Tag, an dem tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. Dies geschah auch in Ratingen. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord vom Staat offiziell legitimiert wurden. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in Europa.

In Ratingen wurden bisher an
fünf Orten Stolpersteine verlegt

An die Opfer der Nationalsozialisten erinnern die seit 1992 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig in ganz Europa verlegten Stolpersteine. Auch in Ratingen wurden bisher an fünf Orten im Stadtgebiet solche Steine verlegt, die mit ihrer Inschrift auf die Namen und Lebensdaten der damals dort lebenden Menschen hinweisen, die zu Opfern von Deportation und Ermordung wurden.

Das jüdische Leben hat in Ratingen eine lange Geschichte und hat die Stadt mit geprägt. Seit Ende des 16. Jahrhunderts lebten Juden in Ratingen. Bis 1817, als die Synagoge gebaut wurde, traf sich die jüdische Gemeinde in einem Betraum.

„Vermutlich war das in einem Privathaus“, erklärte Hans Müskens. Er hat sich intensiv mit der Geschichte des jüdischen Lebens in Ratingen befasst, studierte alles, was zu diesem Thema niedergeschrieben wurde, und verfolgte bei seinen Gängen durch die Stadt die Spur der Stolpersteine.

„Außerdem habe ich mehrmals Führungen zu Orten in Ratingen gemacht, wo jüdische Menschen gelebt haben“, betonte er, auch zum Standort der ehemaligen Synagoge oder des jüdischen Friedhofs. Sein Wissen hat Müskens jetzt bei einem kurzweiligen Vortrag über jüdisches Leben in Ratingen gerne weitergeben. Dazu hat er sogar selbst Gedichte verfasst und alte Fotos zusammengetragen, wie zwei aus der ehemaligen Synagoge. „Auf dem einen ist deutlich der Thora-Schrein zu erkennen“, erklärte er. Das zweite Foto zeigt die Frauen-Empore. Denn damals saßen Männer und Frauen getrennt voneinander im Gottesdienst, genauso wie es auch in christlichen Kirchen praktiziert wurde. Das jüdische Leben in Ratingen war lange Jahre von einem freundlichen Miteinander geprägt. Die Juden bildeten eine Mittelschicht, waren als Metzger, Hutmacher oder Betreiber von Haushaltswarengeschäften tätig. „Im Jahr 1853 gab es 73 Juden in Ratingen“, sagte Müskens. „Sie lebten gut verteilt in Ratingen und das ist noch heute erkennbar.“ Es gab sogar einen Mann aus einer jüdischen Familie, der Mitglied eines katholischen Vereins war. „Ich habe ein Foto, das ihn mit Vereinskameraden beim Karneval zeigt.“

Beispiele von Nazi-Terror
in der Stadt Ratingen

Doch auch die Ratinger Juden blieben nicht vom Nazi-Terror verschont. „Von den Juden, die zu der Zeit noch in Ratingen lebten, sind die Hälfte in Konzentrationslagern umgekommen.“ Andere konnten rechtzeitig ausreisen. Ein bedeutendes Beispiel ist die Kinderärztin Hilde Bruch. „Als sie ihre Praxis am Marktplatz 12 eröffnete, wurde sie sofort angefeindet“, erzählte Müskens. „Die Bevölkerung wurde aufgerufen, mit ihren Kindern bloß nicht zu der jüdischen Ärztin zu gehen.“ Schließlich wanderte Bruch zuerst nach England, dann nach Amerika aus, wo sie eine bedeutende Kinderärztin wurde, die zahlreiche Bücher geschrieben hat.