Esprit-Chef Ronald van der Vis im Interview

Esprit-Chef Ronald van der Vis spricht über die Neuausrichtung des Modekonzerns, der an der Esprit-Allee in Ost seinen Sitz hat.

Ratingen. Für den Modekonzern Esprit ging es in den vergangenen Jahren eher bergab. Als zu brav und unmodern verlor die Marke an Glanz. Seit zwei Jahren ist der Niederländer Ronald van der Vis Chef der Handelskette in Ratingen. Im Interview spricht der 44-Jährige darüber, wie er das Steuer herumreißen will.

Herr van der Vis, Esprit soll wieder moderner und frischer werden. Haben Sie deshalb Topmodel Gisele Bündchen als Markenbotschafterin ins Boot geholt?

Van der Vis: Absolut. Esprit wird modischer werden. Gisele verkörpert exakt unsere Kundin: Stilvoll, feminin und gleichzeitig qualitätsbewusst. Die Esprit-Kundin liebt Mode, sie muss aber nicht zwangsläufig alle Trends mitmachen. Natürlich wird es weiterhin von Esprit auch Mode für Männer und Kinder geben, aber auch diese betrachten wir durch die Augen von Gisele.

Heißt das im Umkehrschluss auch, dass Sie die Preise anheben?

Van der Vis: Nein. Wir werden unsere Einstiegspreislagen beibehalten und sind dafür auch bereit, auf Gewinn zu verzichten.

Welche Fehler hat Esprit in der Vergangenheit gemacht?

Van der Vis: Esprit ist eine starke Marke mit großer Substanz und die beliebteste bei deutschen Frauen. Zugleich muss man erkennen, dass wir in den vergangenen Jahren die Kundensicht vernachlässigt haben. Als Esprit in den 1980er-Jahren groß wurde, war es ein dynamisches, innovatives Unternehmen. Doch mit der Zeit ist Esprit zu brav geworden. Das Angebot wurde weniger modisch, die Filialen weniger inspirierend. Jetzt geht es darum, Esprit wieder dorthin zurückzubringen, wo wir herkommen. Wir sind kommerziell sehr erfolgreich geworden, wir haben international stark expandiert. Aber wir haben die Seele der Marke und ihre Geschichte vernachlässigt. Es ist meine Mission, das wieder zu beleben.

Wie genau wollen Sie vorgehen, um die Marke neu zu definieren?

Van der Vis: Die ersten neuen Produkte sind bereits im Handel, im Frühjahr wird ein Viertel der Kollektion umgestellt sein. Um schneller auf Trends reagieren zu können, werden wir in Paris und Schanghai eigene Design-Zentren errichten. Dies alles wird unterstützt durch eine intensive Markenkampagne. Zudem werden wir kritisch überprüfen, mit welchen Wholesale-Partnern wir künftig zusammenarbeiten. Ich möchte vor allem das weltweite Franchise stärken mit lokalen Händlern, weil die in der Regel ganz nah am Kunden sind und unsere Philosophie verstehen und leben.

Was geschieht mit Ihren eigenen Läden?

Van der Vis: In den kommenden vier Jahren werden wir alle unsere Geschäfte weltweit modernisieren und dafür fast 300 Millionen Euro investieren. Derzeit testen wir drei völlig neue Ladenkonzepte. Die erste Filiale wurde bereits erfolgreich in Köln eröffnet. Bis zum Sommer werden wir wissen, welches neue Erscheinungsbild unsere Filialen erhalten werden. Und wir werden natürlich auch weiterhin neue Läden eröffnen. Uns ist es übrigens sehr ernst mit dem Umbau der Marke. Insgesamt investieren wir in den nächsten vier Jahren dafür 1,7 Milliarden Euro in die Kommunikation, die Produkte und unsere Läden.

Sind auch Schließungen geplant?

Van der Vis: Ja, etwa 80 Läden werden wir schließen müssen, die meisten im Ausland. Aber es werden auch rund 200 neue Filialen entstehen.

Bedeutet das Stellenabbau?

Van der Vis: Nein, netto werden wir deutlich mehr Arbeitsplätze schaffen, auch in Deutschland. Es handelt sich insgesamt um ein Investitionsprogramm, kein Kostensenkungsprogramm. Zudem werden wir versuchen, für alle Mitarbeiter Arbeitsplätze an anderer Stelle im Unternehmen zu finden.

Wo wollen Sie wachsen?

Van der Vis: Einerseits in bestehenden Märkten wie Deutschland, unserem wichtigsten Markt, aber zum Beispiel auch in Frankreich. Und dann natürlich in China, unserem zweitwichtigsten Markt. Dort wollen wir die Zahl der Geschäfte in den nächsten vier Jahren von 1000 auf 1900 erhöhen. Mittelfristig werden wir auch stärker auf Indien setzen und in Märkte gehen, wo wir noch gar nicht oder kaum vertreten sind, etwa Brasilien, Mexiko und Russland.