Gewerbesteuer bricht ein

Nachdem zuletzt ausgeglichene Haushalte präsentiert werden konnten, fehlen dem Kämmerer im nächsten Jahr mindestens acht Millionen Euro.

Ratingen. Bürgermeister Harald Birkenkamp hat Glück, dass er als Überbringer schlechter Nachrichten nicht in der Antike gelebt hat. Sonst hätte er den Ratssaal am Dienstag kaum lebend verlassen. Denn die Zahlen und Fakten, die Birkenkamp und auch Stadtkämmerer Klaus-Konrad Pesch den Fraktionen präsentierten, waren alles andere als erfreulich.

Nachdem die Stadt bislang die Turbulenzen der Finanzkrisen der vergangenen Jahre recht unbeschadet überstanden und immer noch einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen hat, stehen im nächsten Jahr erhebliche Einbußen ins Haus. Nach aktuellem Stand fehlen dem Kämmerer in der Bilanz acht Millionen Euro, und es steht keinesfalls fest, ob dieses Minus nicht noch höher ausfällt. Ein Grund dafür ist die wegbrechende Gewerbesteuer, bei der „vorläufig“ nur noch 90 Millionen Euro eingeplant werden. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2008 waren es 146 Millionen Euro.

Der Fehlbetrag im Haushalt würde noch deutlich höher ausfallen, wenn nicht die Gewinnausschüttungen der Stadtwerke (immerhin fünf Millionen Euro) ins Haushaltsjahr 2012 verschoben worden wären. Auch die bereits beschlossenen Erhöhungen der Grund-, Vergnügungs- und Hundesteuer reduzieren das Minus, außerdem hat die Stadt schon eine weitere Senkung der Kreisumlage einkalkuliert. Sonst würde das Haushaltsloch jetzt schon 15 Millionen Euro betragen.

Mit Bangen sehen Bürgermeister und Kämmerer die vom Land geplante Solidarabgabe der steuerstarken an finanzschwache Städte. Der Ratinger Anteil läge bei rund 26 Millionen Euro — und würde der Stadt finanziell das Genick brechen: Nach zwei Jahren wäre die Ausgleichsrücklage aufgezehrt, im dritten Jahr wäre Ratingen schon im Nothaushalt und könnte eigenständig keine finanziellen Entscheidungen mehr treffen.

Dass mit knapper werdenden Finanzmitteln die Stadt keine großen Sprünge mehr machen kann, liegt auf der Hand. Dennoch stehen dringende Investitionen ins Haus: die Neubauten von Baubetriebshof und Rathaus, außerdem der Erweiterungsbau Gesamtschule und Bau des pädagogischen Zentrums am Bonhoeffer-Gymnasium (3,8 Millionen), Neubauten und Erweiterungen Erweiterung und Neubau von Kindergärten (1,6 Millionen), der Neubau der Sporthalle Gesamtschule (1,8 Millionen) sowie Kanalsanierungen (5,3 Millionen). Insgesamt sind für Investitionen 23 Millionen Euro eingeplant, die zu drei Vierteln über Kredite gedeckt werden.

Nachdem in den Vorjahren der Schuldenberg der Stadt deutlich abgetragen werden konnte, müsse man im nächsten Jahr in Kauf nehmen, dass die Verschuldung wieder steige. „Dies ist mit Blick auf die Eigenkapitalstärke der Stadt Ratingen vertretbar“, sagte Birkenkamp und appellierte an den Stadtrat, den Schuldenanstieg zu verlangsamen — etwa durch Verschiebung nicht zwingend nötiger Investitionen und Maßnahmen. Auf den Prüfstand müssen auch die Standards der städtischen Dienstleistungen und freiwilligen Zuschüssen an Vereine und Verbände.

Stadtkämmerer Klaus-Konrad Pesch wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass die für 2012 eingeplanten Gewerbesteuereinnahmen von nur noch 90 Millionen Euro keineswegs den schlimmsten Fall darstellen. Je nachdem, welche Erstattungsverpflichtungen zum Tragen kommen, „kann sich das geplante Jahresergebnis noch deutlich verschlechtern.“