Heimat ist, wo die Hühner gackern
Doris Huber ist Senior-Chefin auf Gut Aue, hat mit ihrem Mann den Betrieb ausgebaut und zudem tolle Fernreisen unternommen.
Ratingen. Frauen, die heute 80 Jahre alt sind, konnten sich in ihrer Jugend eher nicht alleinverantwortlich ihren Beruf aussuchen. Da hatten die Eltern schon ein Wörtchen mitzureden. Auch bei Doris Huber war das so, der heutigen Senior-Chefin auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Gut Aue. Da vielleicht Attraktives in einer Familie mit sechs Kindern schon vergeben war, riet Mutter Liethen dazu, dass die Tochter Kindergärtnerin werden möge.
So hieß es damals, und so schlecht war der Beruf gar nicht. Wenngleich die konfessionelle Ausrichtung der entsprechenden Bildungseinrichtungen spätere Einsatzmöglichkeiten einschränkten: Das von Erkrath aus näher gelegene Seminar in Kaiserswerth war evangelisch. Das in Köln war weiter entfernt, aber katholisch. Und Doris auch.
Immerhin kam sie zumindest stundenweise weg vom heimischen Hof. Später ging sie noch auf eine Landfrauenschule, besuchte die „Winterschule“ in Ratingen, wo sich der agronomische Nachwuchs in der dunklen Jahreszeit den letzten Schliff holte und gönnte sich eine sehr gute Zeit in einem Kindergarten auf Borkum. Das war 1959, dem Jahr mit dem Super-Sommer.
Das war auch die Zeit, als es auf Gut Aue, gerade mal auf Düsseldorfer Gebiet, aber ganz nah an Ratingen gelegen und Heimat von Albert Huber, „mit den Eiern“ begann. Und es war nicht lange vor dem Treffen Huber-Liethen bei der Landjugend — die immer wieder erfolgreiche Basis für glückliche Ehen ist.
Doris Huber, Senior-Chefin von Gut Aue
Aus einem überschaubaren Hof mit damals fünf Kühen, 20 Schweinen und 40 Hühnern ist inzwischen ein Unternehmen mit 40 000 Hennen geworden — Hochleistungssportlerinnen, was das Eierlegen betrifft. Manch ein Städter mag ja meinen, dass eine Bauersfrau, die im Hofladen die an Ort und Stelle produzierten Lebensmittel verkauft, gerade mal in den Garten geht, eine Lauchstange ausrupft und im Körbchen ein paar Eier in den Laden trägt. Doris und Albert Huber und ihre Familie wissen, dass das anders aussieht.
Es war mehr als ein halbes Jahrhundert Plackerei, dazu wurden vier Kinder geboren (die inzwischen neun Enkel in die Familie Huber gebracht haben), es wurde immer wieder etwas umgestellt und auch rationeller gemacht. „Die Doris hat so ein positives Wesen, ist meist gut gelaunt und geht zuversichtlich ihren Weg“, sagt Ehemann Albert Huber. Und die beiden 80-Jährigen strahlen sich an. Und manchmal kichern sie auch, denn eine gute Ehe jenseits der Goldhochzeit hat, wie in diesem Fall, auch viele lustige Momente zwischen all dem Schuften, der Lehrlings-Ausbildung, dem Eier-Ausfahren, auch mal dem Schlachten und dem Verkaufen im eigenen Laden.
Nun haben die Hubers nicht nur gebrasselt — sie sind bis heute auf weiten Reisen unterwegs, sozusagen aus der überschaubaren Heimat in die Welt. Wobei die in Asien oder Kanada, in Usbekistan und sonst wo liegt. „Meine Heimat ist aber da, wo ich mich familiär einrichten kann, wo ich meine Lieben um mich habe“, sagt Doris Huber. Und das ist wohl dort, wo die Hennen gackern.
Das Altenteil, in dem sie jetzt wohnen, liegt am Eingang zum Hof und ist fast dottergelb gestrichen. Wie auch anders. Aber beide wieseln immer noch ganztags durch den Betrieb. Begeistert von Indien erzählen und dann das rheinische Wort für Löwenzahn wissen, nämlich „Ketteplösch“ — das ist es doch.
Auf der Internetseite kann man erfahren, wann die Henne als Erste da ist und sie produziert und legt. Und heute kann man Eier auch noch ab Hof bis 15 Uhr am Ilbeckweg 3 kaufen.
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