Plastik statt Ton: Diskussion um Weckmanns Pfeife

Eine Bäckerei drückt dem Gebäck eine Plastikpfeife statt des traditionellen Ton-Instruments in den Arm.

Foto: Achim Blazy

Ratingen. In Ratingen wird derzeit heftig über das Markenzeichen des Weckmannes diskutiert — weil eine große Bäckereikette die Stutenmänner neuerdings mit glänzenden Kunststoffpfeifen anbietet, in rot, grün und weiß. Geht das? Kann man die traditionelle Tonpfeife austauschen, ohne dass die Kundschaft Sturm läuft?

Fragt man die Ratinger in der Fußgängerzone, ist die klassische Pfeife ganz eindeutig das beliebtere Modell. Erika Welticke (77) meint: „Eine Plastikpfeife passt nicht. Es gehört eine traditionell weiße Tonpfeife zum Weckmann.“ Doch es gibt auch Menschen, denen das Material gleichgültig ist.

Isabell Grass (19) zum Beispiel sieht die Sache ganz pragmatisch: „Die Hauptsache ist doch, dass der Weckmann schmeckt und von guter Qualität ist.“ Besonders ältere Ratinger sprechen sich für die „ gute alte Tonpfeife“ aus, denn sie hängt mit so manchen Erinnerungen zusammen. Zum Beispiel damit, einst Tabak von den Eltern geklaut zu haben, um ihn genüsslich in Weckmanns Tonpfeife zu schmauchen. Das geht mit einer Plastikpfeife natürlich nicht.

Was macht insgesamt den Reiz des Weckmannes aus? Natürlich der Geschmack, aber auch das Aussehen und das Wissen darum, dass, wenn es Weckmänner gibt, auch die Weihnachtszeit bald beginnt. Das lässt die Sympathie für den Stutenmann steigen. Aber die Weckmänner der großen Bäckereikette sind Massenware.

Gut, dass es auch noch die traditionellen Backstuben wie die Bäckerei Frik auf der Mülheimer Straße in Mitte gibt. Die formen ihre Stutenmänner noch mit der Hand. Und die Pfeife ist dort, natürlich, aus Ton. Heike Klimmeck-Kohnen, Verkäuferin bei Frik, sagt: „Wir sind ein Familienunternehmen und können uns nicht vorstellen, Plastikpfeifen zu verwenden. Ein Weckmann braucht seine weiße Tonpfeife. Das ist Tradition.“

Seit seiner Erfindung ist der Weckmann ein Sinnbild für den Heiligen Nikolaus von Myra und wurde ursprünglich, wie es sich für einen Bischof geziemt, statt mit einer Pfeife mit einem Hirtenstab ausgestattet. Ein findiger Bäcker, dem im 18. Jahrhundert die kleinen Stäbe ausgingen, soll entdeckt haben, dass kleine Pfeifen wie Bischofsstäbe aussehen, wenn man sie verkehrt herum hält. So kam die Pfeife aufs Gebäck.

In einigen Regionen Deutschlands stellt sich die Pfeifen-Frage aber gar nicht, denn dort wird der Weckmann mit ausgestreckten Armen dargestellt und hält gar nichts in den Händen. Welchen Weckmann man letztendlich wählt, bleibt dem individuellen Geschmack überlassen. Einmal kurz darüber nachzudenken, welche Esskultur gelebt werden soll, macht die Entscheidung vielleicht leichter.

Wie auch immer man sich entscheidet: Zu St. Martin oder spätestens zu Nikolaus gibt es wieder einen Weckmann. Darüber gibt es gar nichts zu diskutieren. Höchstens über die Pfeife.