Rathaus sturmreif geschossen

Die Prinzengarde Blau-Weiß musste beim Rathaussturm an der Marine vorbei.

Ratingen. „Verdammt, die sind heute gut drauf!“ Bürgermeister Harald Birkenkamp musste sich immer wieder schnell wegducken: Die Ballkanone der Prinzengarde Blau-Weiss erwies sich am Donnerstag beim Rathaussturm als überraschend treffsicher. Ein ums andere Mal pfiffen dem Stadtoberhaupt und seiner Truppe, die vom Fraktionszimmer der Bürger Union im ersten Stock aus den Rathausbunker verteidigen wollten, die Schaumstoffbälle um die Ohren. Etliche schlugen im Mettbrötchen- und Berliner-Büffet ein, das die Bürger Union aufgebaut hatte. Zerknirscht schoss Birkenkamp, der als amerikanischer Cop verkleidet war, mit Konfettikanonen und Plastikbällen zurück. „Wofür haben wir denn die Marine im Haus?“, fragte ein verkleideter Pfarrer völlig unfromm.

„Die Marine“ — das waren 14 Mann von der Besatzung des Schnellbootes „Wiesel“, mit dem die Stadt patenschaftlich verbunden ist. Die Bootsmänner und Leutnante waren allerdings anderweitig beschäftigt: Sie sorgten sich um ihre schicken schwarzen Krawatten. „Das hat uns niemand gesagt, dass die abgeschnitten werden. Ich habe nur die eine dabei“, sagte Hannes Lenz, Oberbootsmann aus Rostock. Schnurstracks knotete er seinen Schlips auf und wollte ihn in der Jackentasche verschwinden lassen. Dann ergab er sich aber doch seinem Schicksal und band ihn wieder um. Diese Trophäen ließ sich Kinderprinzessin Jana I. nicht entgehen und kappte die Schlipse — einen nach dem anderen. „Wir hatten bisher wenig Berührung mit dem Karneval. Aber die Fahrten nach Ratingen sind bei den Kameraden heiß begehrt“, erklärte Lars Bammann, Oberleutnant zur See. Ein Kamerad war schon zum achten Mal dabei, hat aber sein Herrschaftswissen über die Bräuche für sich behalten.

Um 11.11 Uhr schwenkte Cop Harald die weiße Fahne und überließ sein Domizil den Narren, die sich gleich in den Fraktionsräumen breitmachten. Das Altbier floss bei der Bürger Union in solchen Strömen, dass man sich schon bald bei der politischen Konkurrenz ein neues Fässchen leihen musste. Die CDU zeigte sich spendabel — „is’ ja Karneval“, sagte der als kleiner Franzose verkleidete Fraktionschef Ewald Vielhaus lachend. Dezernent Rolf Steuwe hatte als Sträfling „Freigang“, sein Kollege Dirk Tratzig strebte als Pilot mit Lederjacke nach höheren Sphären.