Gespräch im Berufskolleg Appell einer Holocaust-Überlebenden

Ratingen · Eva Weyl, geboren 1935, wuchs im Lager Westerbork auf. Bei einer Online-Veranstaltung berichtete sie aus ihrem Leben und beantwortete Fragen der Schüler des Cüppers-Berufskollegs.

 Eva Weyl, hier bei einer Veranstaltung in Xanten, sprach als Zeitzeugin des Holocausts zu der Oberstufe der Ratinger Gesamtschule.

Eva Weyl, hier bei einer Veranstaltung in Xanten, sprach als Zeitzeugin des Holocausts zu der Oberstufe der Ratinger Gesamtschule.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

(Red) „Es ist etwas ganz anderes, wenn man so jemanden wirklich erlebt“, resümierte eine 11-Klässlerin ihre Begegnung mit der Holocaustüberlebenden Eva Weyl. Nach der großen Zustimmung zu einem Zeitzeugengespräch im vergangenen Juli, fand nun erneut eine Begegnung der Schüler des Adam-Josef-Cüppers-Berufskollegs (AJC) mit einer Frau statt, die den Holocaust selbst erlebt und überlebt hat.

Rund 100 Schüler der gymnasialen Oberstufe hörten sich gebannt die Schilderungen Eva Weyls über ihre schrecklichen Erlebnisse im Nationalsozialismus und vor allem ihre Zeit im niederländischen Konzentrationslager Westerbork an. Detailliert beschrieb sie die perfide Scheinwelt des Lagers. Mit Lügen und Beschwichtigungsmethoden habe die Lagerleitung, insbesondere der aus Düsseldorf stammende Lagerkommandant Albert Konrad Gemmeker, versucht die Todgeweihten in Sicherheit zu wiegen, um Widerstand zu verhindern.

Ihre Mutter erzählte der kleinen Eva immer, dass sie bald wieder wegfahren würden. In ihrer kindlichen Vorstellung dachte sie, es ginge wieder nach Hause, weshalb sie sich sogar darauf gefreut habe. Ihre Eltern hätten dagegen schreckliche Angst davor gehabt, das Lager, eingepfercht in Viehwaggons, Richtung Osten zu verlassen, ahnten sie doch, was das bedeuten würde. Fünfmal stand die Familie Weyl auf der Todesliste für die Deportation, fünfmal entgingen sie ihr durch unglaubliches Glück um Haaresbreite.

Eva Weyl wurde 1935 im niederländischen Arnheim geboren und kommt aus einer jüdischen Familie. Ihr Großvater führte das in Kleve gelegene Kaufhaus Weyl. Ende 1934 zogen die Eltern aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Arnheim, wo sie noch einige Jahre ein Damentextilgeschäft führten. Die beiden bereits verwitweten Großväter zogen nach der Pogromnacht am 9. November 1938 ebenfalls zu der Familie ins Nachbarland.

Eva Weyls Geschichte ist auch
in einem Buch nachzulesen

Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 wurde in Westerbork ein bereits existierendes Flüchtlingslager in ein KZ-Durchgangslager für Jüdinnen und Juden umfunktioniert. In dieses Lager wurde Eva mit ihren Eltern Ende Januar 1942 deportiert. Mehr als neunzig Eisenbahntransporte mit Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma gingen von Westerbork aus in die Konzentrationslager Theresienstadt und Bergen-Belsen sowie in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor. Von den 107 000 Frauen, Männern und Kindern, die von Westerbork aus deportiert wurden, überlebten nur etwa fünftausend. Eva Weyl und ihre Eltern entgingen mit viel Glück der Vernichtung.

Die Veranstaltung fand online statt, da die Anreise aus Amsterdam für die hochbetagte Eva Weyl zu anstrengend gewesen wäre. Das persönliche Gespräch und die Gelegenheit Fragen zu stellen, nutzten die Schüler aber auch in diesem digitalen Format. Visualisiert wurde der Vortrag durch persönliche Fotografien der Familie, Zeichnungen und Kartenmaterial.

Eva Weyl verstand es, ihrem Publikum durch geschickte Verknüpfung historischer Informationen mit ihrer eigenen Lebensgeschichte eine unvergessliche Geschichtsstunde zu vermitteln. Ihre eindringliche Botschaft an die Schülerinnen und Schüler lautete, dass diese keinerlei Schuld an den Ereignissen von damals trifft, aber sie eine Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft tragen, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Und weil die Zahl der Zeitzeugen immer kleiner werde, sagte sie: „Als Zeitzeugin erzähle ich euch meine Geschichte und mache euch damit zu Zeitzeugen.“

Eva Weyls Lebensgeschichte ist unter anderen in dem Buch „Die letzten Zeuginnen und Zeugen“, von Birgit Mair erschienen. Die Diplom-Sozialwirtin begleitete auch den Vortrag.

(RP)