St.-Sebastiani-Bruderschaft: Schießen war erlaubt, Christ sein nicht
Die St.-Sebastiani-Bruderschaft veröffentlicht zwei Bände, die den Zeitraum von 1919 bis 1950 in die Gegenwart holen.
Ratingen. „Die Bruderschaft war arg von den Nazis drangsaliert worden“, sagt Helmut Pfeiffer. Der 79-Jährige hat zwei neue Bücher über die St.-Sebastiani-Bruderschaft in der Zeit von 1919 bis 1950 verfasst. „Die Bruderschaft durfte zwar bestehen bleiben, musste aber den christlichen Hintergrund ausblenden“, erklärt Pfeiffer und ergänzt: Die Bruderschaft wurde bis 1946 als reiner Schießsportverein geführt. „Inoffiziell pflegte man seine Traditionen. Man durfte sich eben nur nicht erwischen lassen.“
Anlässlich des 575-jährigen Bestehens der Bruderschaft im Jahr 2008 hatte Pfeiffer angefangen, die Geschichte der Schützen aufzuschreiben. Die Urkunden und Protokollbücher lagen in Kisten — versteckt in Ecken des Heimatmuseums. Dazu fand er jede Menge Bildmaterial.
Laut Pfeiffer zeigen die Dokumente „eine gute Portion Stadtgeschichte“. So ist in der Fußnote zum Text über das Schützenfest 1949 zu lesen, dass sich im ehemaligen Bürgerhaus am Markt nun eine Gaststätte befindet. Aus der einstigen „Spee-Straße“ wurde die „Poststraße“, und im früheren Gymnasialgebäude befindet sich nun die städtische Musikschule. In einem umfassenden Namensglossar sind die Daten vieler Persönlichkeiten verzeichnet.
Der Schwerpunkt liegt aber eben auf der Nazi-Zeit. Das Denunziantentum war in einem „Nest wie Ratingen nicht so schlimm wie anderswo“, sagt der Autor.
Dennoch sollte der damals erste Vorsitzende Willi Werdelmann seinen Posten verlieren. Es entstand ein „reger Briefwechsel. Der reichte bis zum Reichsgeschäftsführer des Gaus“, sagt Pfeiffer. Und als sich nach der Stunde Null das Chaos etwas gelichtet hatte, initiierte Werdelmann bereits im Januar 1946 die nächste Generalversammlung. Pfeiffer: „1947 fand dann bereits das erste Nachkriegsschützenfest statt.“
Damit waren aber nicht alle Bürger einverstanden. Hunger und Not herrschten. Schon wieder Uniformen sehen zu müssen, stimmte nicht jeden glücklich. „Und dann war es doch ein sehr umjubeltes Fest, an dem viele Spaß hatten“, erzählt der Autos.
Und was ist mit der Zeitspanne von 1951 bis heute? „Ich bin so kurz vor meinem 80. Lebensjahr“, sagt Pfeiffer und zeigt einen kleinen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger. So umfassend wie in der Vergangenheit könne er das nicht mehr leisten. „Ich bleibe der Bruderschaft aber erhalten.“ Vor allem mit seinem historischen Wissen.