Ratingen „Wir haben in der Krise viel gelernt“

Ratingen. · Die Corona-Lage im Kreis Mettmann schätzt der Chefarzt am Marien-Krankenhaus insgesamt als günstig ein.

 Markus Freistühler bei der Chefarztvisite. Für das Foto hat er ausnahmsweise seine Mund-Nasen-Schutzmaske abgenommen.

Markus Freistühler bei der Chefarztvisite. Für das Foto hat er ausnahmsweise seine Mund-Nasen-Schutzmaske abgenommen.

Foto: RP/Marienkrankenhaus

Mit Beginn der Corona-Krise hatte das Marien-Krankenhaus eine Station komplett für Covid-19-Patienten frei gezogen und entsprechend eingerichtet. Darüber hinaus wurden die Beatmungsplätze von sechs auf 13 aufgestockt. Über die aktuelle Situation in Ratingen und die Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monate sprachen wir mit Chefarzt Markus Freistühler.

Wann hat der bisher letzte Patient die Corona-Intensivstation verlassen?

Markus Freistühler: Wir hatten insgesamt drei intensivpflichtige Patienten. Zwei von ihnen wurden lange Zeit, jeweils über vier Wochen, beatmet. Der letzte Patient verließ die Intensivstation am 30. April 2020.

Wird die Intensivstation noch weiter vorgehalten?

Freistühler: Unsere Intensivstation verfügt in der Regel über acht Betten und sechs voll ausgestattete Beatmungsplätze einschließlich der Möglichkeit zur Dialyse. Im Rahmen der akuten Phase der Corona-Pandemie wurde die Intensivstation durch Hinzunahme eines Aufwachraums auf 13 Plätze erweitert und 13 Beatmungsgeräte vorgehalten. Aktuell läuft der Regelbetrieb auf der Intensivstation über sechs Betten. Zwei Betten werden dauerhaft für Covid-19 Patienten freigehalten. Um hier ohne Einschränkungen handeln zu können, haben wir unsere Beatmungskapazität ebenfalls dauerhaft auf acht Plätze erhöht. Außerdem könnten wir innerhalb weniger Tage weitere Plätze eröffnen, wenn es zu einem größeren Ausbruch käme.

Was haben Sie während der Behandlung von infizierten Patienten über das Corona­virus gelernt?

Freistühler: Wir haben viel gelernt und konnten uns auf Vieles vorbereiten. Zum Glück mussten wir nicht alles umsetzen. Wir haben gelernt, dass die schwere Corona-Erkrankung ein völlig neues infektiologisches Krankheitsbild darstellt, welches in keiner Weise mit der Virusgrippe verglichen werden kann. Noch während wir die Patienten behandelten, nahmen weltweit die Erkenntnisse zu. Auch bei unseren Patienten kam es zum Beispiel zu Thrombosen und Lungenembolien, was später auch anderenorts festgestellt worden ist. Die Erkrankung betraf zudem auch die Nieren und die Leber. Desweiteren lernten wir, dass keineswegs nur sogenannte Risikogruppen gefährdet sind. Der schwerste Verlauf ereignete sich bei einem Patienten, der keiner der bekannten Risikogruppen angehört. Auch sahen wir durchaus mittelschwerkranke jüngere Patienten und Familien. Wir haben auch gelernt, dass bei korrekter Anwendung hoher hygienischer Standards für uns als Mitarbeiter offensichtlich kein allzu großes Infektionsrisiko bestand. Wir haben auch viel über uns selbst gelernt. Anfangs standen wir der Situation mit Spannung und Ängsten gegenüber. Durch den Umgang mit den unterschiedlich schwerkranken Patienten und die systematische Auswertung der Erkenntnisse anderer Behandler entwickelten wir eine professionelle Haltung und auch Behandlungsstandards, die uns im Zweifel bei einem erneuten Ausbruch sehr zugute kommen werden.

Gab es einen Austausch mit anderen Kliniken und Ärzten außerhalb des Hauses?

Freistühler: Selbstverständlich und zu allererst standen wir in enger Verbindung mit den Ratinger Hausärzten sowie den Ärzten des Gesundheitsamtes in Mettmann. Diese enge, überwiegend telefonisch abgestimmte Zusammenarbeit hat einen entscheidenden Beitrag zur Beherrschung der Krise in Ratingen beziehungsweise im Kreis Mettmann geleistet. Darüber hinaus standen wir nicht nur über die zahllosen im Internet verfügbaren Veröffentlichungen mit anderen Behandlern in Kontakt, sondern wir haben uns unmittelbar mit Ärzten abgestimmt, die in größerem Ausmaß mit Covid-19 konfrontiert waren. Konkret besprachen wir unsere Fälle mit Kollegen aus den Universitätskliniken in Essen und in Aachen. Auch erhielten wir wertvolle direkte telefonische Informationen aus Bologna und Amsterdam. Durch den „Shutdown“ konnten wir sehr erfahrene Fachärzte ganztägig mit der Corona-Lage befassen. Selten hatten und haben wir so gute Möglichkeiten, gleichzeitig zu lernen und zu handeln.