Tradition: Bohne für Bohne reiner Genuss
Tino Rosendahl hat in der Innenstadt eine eigene Kaffeerösterei eröffnet.
Ratingen. Immer wenn die Mühle rattert, durchzieht ein betörender Duft das kleine Lädchen an der Wallstraße. Ab und zu weht eine Duftwolke durch die geöffnete Tür nach draußen und lässt die Passanten schnuppernd den Schritt verlangsamen oder gar stehenbleiben. Dann schauen sie durch die Glasfront auf große Jutesäcke, auf eine monströse Maschine und eine nostalgische Theke mit Kaffeeschütten — wie aus der Fernsehwerbung. Die Kaffeerösterei von Tino und Angela Rosendahl ist eine Attraktion im Viertel — und ein Geheimtipp.
Vor wenigen Wochen erst wurde die Rösterei eröffnet und hat bereits einen festen Kundenstamm. „Früher waren solche Geschäfte weit verbreitet. In den 1950er-Jahren gab es in Deutschland etwa 5000 Röstereien“, weiß Tino Rosendahl. Danach verdrängten Supermärkte und Warenhausketten die kleinen Firmen fast vollständig vom Markt. In Ratingen sei es der Kolonialwarenladen Holland gewesen, in dem in der Nachkriegszeit selbst gerösteter Kaffee gekauft werden konnte. „Aber daran erinnern sich nur noch die Älteren.“
Leidenschaft und Liebe zum Kaffee — das war letztlich der Grund, warum Rosendahl (45) vor einem Jahr seinen Job in der Werbebranche dran gab und zusammen mit seiner Frau ins Kaffeegeschäft einstieg. In Seminaren und im Austausch mit anderen Röstern lernten sie alles über Kaffeesorten und Röstverfahren.
In großen Jutesäcken lagern im Geschäft die Schätze aus aller Herren Länder: Rohkaffee aus Äthiopien, Costa Rica, Guatemala, Indien. Sie heißen „Yellow Bourbon“, „Los Volcanes“, „Java Kaymans Estate“ oder „Yirgacheffe“. 60 Kilo wiegen die Säcke, die von Händlern aus Hamburg und Bremen geliefert werden. Stilecht ist sogar die alte Transportkarre — sie stammt aus einer alten Wiener Rösterei.
Nicht nur die besonderen Sorten, sondern vor allem die unvergleichliche Frische der Kaffeebohnen hat sich herumgesprochen. So kommt Gabriele Löwe extra aus Düsseldorf und probiert sich gerade durch das ganze Sortiment. „Der letzte war meinem Mann zu pfeffrig, ich fand ihn aber gut“, erzählt sie. Rosendahl rät ihr zum „Yirgacheffe“ aus Äthiopien, „der ist eher blumig“. Der Kaffee sei zwar etwas teurer, aber unvergleichlich im Geschmack.
Das findet auch Liesel Steinhäuser, die schon Stammkundin ist. „So ein Geschäft hat hier gefehlt“, ist sie erfreut, dass es in Ratingen wieder eine Kaffeerösterei gibt. Sie bestellt ein Viertel Pfund „Angergold“ — zum Testen. „Angergold ist unsere Hausmarke — eine selbst komponierte Mischung, die es als Kaffee und Espresso gibt“, sagt er.
Gehen die Vorräte in den Kaffeeschütten mit ihren gewölbten Glasscheiben zur Neige, wird wieder geröstet. Fünf Kilogramm fasst der gasbetriebene Trommelröster, der im Verkaufsraum steht und so viel wie ein gut ausgestatteter Kleinwagen kostet. „Wir rösten langsam, zwölf bis 20 Minuten bei 200 Grad. Da können sich ganz andere Aromen entfalten und es entsteht weniger Säure“, weiß Rosendahl. Zum Vergleich: Die Industrie jagt die rohen Kaffeebohnen in vier Minuten durch die 400 Grad heißen Öfen. Danach müssen die Bohnen mit einem Gebläse heruntergekühlt werden, sonst rösten sie im Inneren weiter. In Blecheimern mit Ventil im Deckel lagern sie dann bis zum Mahlen. Erst dabei entfalten sich alle Aromastoffe und verbreiten diesen unvergleichlichen Duft, der die Passanten draußen stehen bleiben lässt.