Verwandten sind Gräber egal

Städtische Mitarbeiter suchen jährlich die Angehörigen von bis zu 150 Toten — und nur jeder Dritte wird gefunden.

Ratingen. Die Disteln reichen Heribert Müller bis zu Hüfte. Und das ist schon eine stattliche Höhe. Denn der Mitarbeiter des Grünflächenamts ist 1,90 Meter lang. „Das geht bei diesem Wetter einfach total schnell. Die wachsen, was das Zeug hält“, sagt er bei einem Streifzug über den Waldfriedhof in Ratingen Ost.

Regelmäßig gehen er und Guido Frohnhoff von der Friedhofsverwaltung sowie weitere Mitarbeiter des Amts für Kommunale Dienste über die Ruhestätten der Stadt. Und wer jetzt verreist ist und vorher nicht an die Grabpflege gedacht hat, der kann ihre Bekanntschaft machen.

Sie sind es, die Schilder in Gräber stecken — mit dem Hinweis, dass Angehörige sich bei der Friedhofsverwaltung melden sollen. Allerdings sind nicht nur ungepflegte Gräber der Grund, warum Frohnhoff nach den Angehörigen sucht. „Auch wenn die Nutzungsdauer für ein Grab abgelaufen ist, muss ich denjenigen finden“, sagt er.

Frohnhoff sucht jährlich Angehörige, die für bis zu 150 Gräber verantwortlich sind. „Allerdings melden sich nur 30 Prozent. Um 70 Prozent der Gräber kümmert sich niemand mehr“, sagt er.

Die städtischen Mitarbeiter müssen sich dann um die Unterhaltung der Gräber kümmern. Sie nehmen die Pflanzen herunter — auch Vasen, Figuren — und säen dann Rasen. „Den müssen wir mähen, was sehr aufwendig ist. Das kann nur mit einem Handrasenmäher gemacht werden, weil das kleine Parzellen zwischen anderen Gräbern sind“, sagt er.

Wie hoch die Kosten für diese Arbeiten sind, die die Allgemeinheit trägt, kann Frohnhoff nicht sagen. „Das haben wir noch nicht genau ermittelt.“

Ähnlich mühselig ist auch die Suche nach Angehörigen, wenn ein Grabstein locker ist. Das wird von Mitarbeitern wie Heribert Müller kontrolliert. Dieses Jahr wurden bislang zehn Wackelkandidaten ausfindig gemacht. „Wir machen das, um Unfälle zu vermeiden. Es sind schon Menschen zu Tode gekommen, weil sie unter einem Grabstein begraben wurden“, sagt er.

Melden sich die Angehörigen nicht, müssen wieder die städtischen Angestellten ran. „Wir legen den Grabstein dann einfach auf das Grab. Entsorgen dürfen wir ihn vor Ablauf der Nutzungsdauer nicht. Denn es könnte sich ja noch ein Angehöriger melden“, sagt Müller.

Tun sie das, müssten sie dafür sorgen, dass die Grabsteine wieder von einem Steinmetz befestigt werden. Dazu setzt das Amt zwei Fristen. Auch im Falle ungepflegter Gräber geschieht das. Fronhoff: „Wenn jemand nicht tätig wird, dann verhängen wir auch ein Bußgeld.“