Voices-Festival: lebhafte Diskussion mit Wallraff
Beim Voices-Festival gab es neben Musik auch eine Lesung.
Ratingen. Was hat das mit einem Musikfestival zu tun? Das fragte sich so mancher Besucher beim letzten Programmpunkt des Voices-Festivals: Günter Wallraff liest aus seinem Buch „Aus der schönen neuen Welt“. Die Erklärung des Veranstalters: Man kann seine Stimme auch erheben, nicht, um zu singen, sondern um etwas zu erreichen, um aufmerksam zu machen, um zu helfen. Missstände aufdecken, gegen Unterdrückung kämpfen, sich starkmachen für Minderheiten.
Am Sonntag las Wallraff unter anderem aus den Erfahrungen, die er — verkleidet und geschminkt als Farbiger — ein Jahr lang in Deutschland gesammelt hatte. Die Besucher waren entsetzt. Bianca Agne: „Was ihm da an Vorurteilen entgegengeschlagen ist, ob auf Ämtern oder bei der Jobsuche, das ist doch unglaublich. Ich hätte nicht gedacht, dass dies wirklich so schlimm ist.“
Aufrütteln, wachmachen, zum Nachdenken anregen: Günter Wallraff will kein stumm konsumierendes Publikum. Er bat um Fragen, um Gegenrede. Wenn am Ende alle einer Meinung seien, sei entweder der Vortrag demagogisch oder das Publikum träge, provozierte der Autor. Und regte so eine lebhafte Diskussion an, die bis 22 Uhr dauerte.
Anschließend beantwortete er noch einige Fragen für unsere Redaktion: Wenn man mit so viel Leid und Negativerlebnissen konfrontiert wird, wie wird man damit fertig? Wallraff: „Es zieht einen manchmal runter. Ich habe auch depressive Phasen. Das kompensiere ich durch Ausdauersport. Und dann ist da noch meine Familie, die mir Kraft gibt.“
Wie müssen sich Minderheiten hier verhalten? Müssen wir uns in unserem Land alles gefallen lassen? „Natürlich nicht. Ich bin auf dem Auge keineswegs blind — ich habe unter anderem einer Frau ein Buch über einen Ehrenmord ermöglicht. Und wenn Vertreter anderer Kulturen unsere Kultur zu unterdrücken versuchen, dann trete ich genauso energisch dagegen an.“
Die wichtigste Frage des Abends kam aus dem Publikum: „Was können wir, jeder Einzelne, hier in Ratingen tun, um zu helfen?“ Wallraff: „Engagieren Sie sich. In Vereinen, in Parteien, die sich sozial einbringen. Und vor allem auch persönlich. Gehen Sie mit jemandem zum Amt, der alleine nicht klarkommt, laden Sie mal einen Asylbewerber ein. Seien Sie ein Vorbild, gehen Sie, wo Sie Einfluss haben, mit gutem Beispiel voran.“
Das Publikum war sichtlich bewegt. Bianca Agne: „Ich finde, das war ein ernster aber sehr guter Abschluss des Festivals.“