Kreis Mettmann Welche Kandidaten schaffen es in die Stichwahl?
Kreis Mettmann. · Das Landesverfassungsgericht hat die Abschaffung der Stichwahl für verfassungswidrig erklärt.
Das nordrhein-westfälische Landesverfassungsgericht hält die Abschaffung der Stichwahl bei Bürgermeister- und Landratswahlen für verfassungswidrig. Ein entsprechendes Urteil verkündeten die Richter am vergangenen Freitag in Münster. Sie begründeten es damit, dass der Gesetzgeber nicht ausreichend geprüft habe, inwieweit eine Wahl mit nur relativer Mehrheit und damit womöglich nur geringem Stimmenanteil Bürgermeistern und Landräten eine ausreichende Legitimation verschafft. Dies sei angesichts der zunehmenden Zersplitterung der Parteienlandschaft in Deutschland aber notwendig.
Knapp mehr als 20 Prozent Stimmanteil hätten gereicht
Tatsächlich hätte ohne Stichwahl auch bereits ein sehr geringer Stimmenanteil von etwas mehr als 20 Prozent genügt, um einen Kandidaten ins Bürgermeisteramt zu hieven. Und da ein Amtsinhaber erfahrungsgemäß über einen garantierten Stimmenanteil in etwa gleicher Höhe verfügen kann, schien eine Ablösung eines amtierenden Bürgermeisters ohne Stichwahl ungleich schwerer.
Das Urteil hat damit starken Einfluss auf die im September 2020 anstehende Kommunalwahl, bei der neben dem Landrat im Kreis Mettmann auch die Bürgermeister der Städte Mettmann, Erkrath und Wülfrath neu gewählt werden. Insbesondere in Mettmann bestimmte die wegfallende Stichwahl die Taktik der beiden großen Parteien CDU und SPD bei ihrer Kandidaten-Kür.
Entsprechend positiv reagieren jetzt CDU und SPD auf die Urteilsverkündung. Beide haben mit Sandra Pietschmann, Geschäftsführerin des Vereins Mettmann- (ME-)Sport, eine gemeinsame Gegenkandidatin zum ebenfalls parteilosen Thomas Dinkelmann aufgestellt. „Dies ist im Prinzip eine gute Entscheidung für alle demokratischen Kräfte in Mettmann. So ist sicher gestellt, dass eine neue Bürgermeisterin die Mehrheit der Mettmanner Bürger hinter sich vereinigen kann“, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion. „Mit Sandra Pietschmann als unserer gemeinsamen Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin sind wir bestens aufgestellt. Sie verkörpert eine proaktive und neue Politik in Mettmann – auch und gerade für den Fall weiterer Kandidaturen.“ Das antworten Richard Bley, Gabriele Hruschka (beide CDU), Heribert Klein und Florian Peters (beide SPD) in einer gemeinsamen E-Mail.
FDP-Fraktionschef Klaus Müller geht in seiner Beurteilung der Lage sogar noch weiter: „Für die Parteien in Mettmann bedeutet dieses Urteil, dass alle bisherigen taktischen Gedankenspiele wieder auf Null gestellt werden müssen.“ Denn nun müssen sich die beiden großen Fraktionen CDU und SPD womöglich auf weitere Kandidaten einstellen. So hatte sich die FDP vorbehalten, eventuell noch einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Diese noch offene Frage scheint noch nicht abschließend geklärt zu sein.
Die Grünen begrüßen das Urteil des Verfassungsgerichts
Auch Nils Lessing, Fraktionschef der Grünen im Rat der Stadt Mettmann, begrüßt das Urteil des Verfassungsgerichts „außerordentlich“: Die Abschaffung der Stichwahl habe die kommunale Demokratie geschwächt „und war in erster Linie ein parteitaktisches Manöver der Landes-CDU“. Für die Bürgermeisterwahl in Mettmann bestünden für die Bürger jetzt mehr Chancen, ihre inhaltlichen Wünsche auch bei der Wahl eines Bürgermeisterkandidaten deutlicher einfließen zu lassen.
„Das Urteil unterstützt unseren Kurs, den Wählern ein breites demokratisches Angebot zu machen. Ich glaube die Bürgermeisterwahl wird noch sehr spannend“, sagt Lässing. Er mahnt allerdings, „die vielen schon lange notwendigen Entscheidungen wie zum Beispiel die Entwicklung der Schullandschaft, die Schaffung von Klimagerechtigkeit, die Verkehrswende oder die Zukunft der Stadthalle nicht über Personaldebatten oder irgendwelche taktischen Absprachen aus dem Blick zu verlieren“. Auch Hans Günther Kampen (UBWG) zeigt sich über das Urteil erfreut, „denn damit wird die Demokratie gestärkt“.
Sandra Pietschmann als Bürgermeister-Kandidatin ist bislang lediglich ein Vorschlag der Vorstände von CDU und SPD. Mit einer Parteilosen glaubten sie, die größtmögliche Schnittmenge für die Wähler gefunden zu haben – und orientierten sich damit auch am Erfolgsmodell des Amtsinhabers, der, ebenfalls parteilos, als unabhängig und bürgernah gilt. Absegnen müssen den Vorschlag des Vorstandes erst noch die Mitglieder beider Parteien in Versammlungen, die im Januar stattfinden. Werden die Mitglieder dem Vorschlag der Vorstände folgen, obwohl sich nun das Blatt gewendet hat? Oder werden sie dafür plädieren, nun doch Parteiangehörige ins Rennen zu schicken, lupenreine Sozial- und Christdemokraten also, die das Profil, aber auch die Differenzen beider Parteien schärfen?
Bislang einte beide Fraktionen vor allem der Wunsch nach Ablösung des bisherigen Amtsinhabers Thomas Dinkelmann. Ist es nun mit der Einigkeit, die sich in jüngster Vergangenheit auch immer wieder in gemeinsamen Anträgen widerspiegelte, vorbei? Vor allem die beiden großen Parteien CDU und SPD werden Anfang kommenden Jahres darauf Antworten finden müssen. arue/hup/von