Wülfrath Alte Mauern erzählen bewegte Geschichte

Wülfrath · Unter dem kürzlich abgerissenen Gut Püttbach finden Archäologen einen Jahrhunderte alten Keller mit Brunnen, Treppenaufgängen und kleinen Schätzen.

Die Archäologin und Ausgrabungsleiterin Joanna Chanko begutachtet eine freigelegte Treppe:

Foto: Fries, Stefan (fri)

. „Ich habe hier 60 Jahre lang gewohnt und hatte keine Ahnung, was sich unter dem Haus befindet.“ Bernd Pasch sieht Archäologen bei der Arbeit zu. Seine Vorfahren hatten das Gut in den 1920er Jahren gepachtet. „Willi Münch hatte mir zwar gesagt, dass das hier sehr alt ist, aber damit habe ich nicht gerechnet“, so Bernd Pasch weiter. Die erste Erwähnung des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1218. Es hieß damals Gut Putbeck. 1430 kaufte es der Deutsche Ritterorden, war Hohnschaft mit dem Recht, Steuern zu erheben.

Unter dem abgerissenen Gut Püttbach haben die Archäologen Gemäuer gefunden, die zum Teil im 13. Jahrhundert entstanden sind. Auch Fragmente von Graukeramik, gebräuchlich zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert, hat das Team zu Tage gefördert. Und viele weitere Besonderheiten und deutliche Hinweise auf eine bewegte Geschichte entdeckt. Die Arbeiten des sechsköpfigen Teams hatten am 17. Januar begonnen, gestern war der letzte Tag, um den historischen Ort zu dokumentieren. Das komplette Mauerwerk wird in 3D eingescannt, die Fundstücke werden zum Teil bei der beauftragten Firma Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege in Düren gereinigt und genauer datiert. Anschließend werden sie in das Depot des Landesamtes Bonn gebracht. Auf Amtsebene könne noch geklärt werden, ob Fundstücke in Wülfrath ausgestellt werden können.

Bauweise lässt auf reiche Eigentümer schließen

„Hier haben reiche Leute gewohnt“, sagt Ausgrabungsleiterin Joanna Chanko. „Dieses Mauerwerk ist sehr sorgfältig bearbeitet, sehr gut vermörtelt und verzahnt – ein teures Gebäude.“ Ein Wehrturm darüber ist überliefert. „Das war eine wahrlich wehrhafte Anlage.“ Der freigelegte Kellerraum hat zwei Treppen, „ungewöhnlich für diese Zeit“, erklärt die Archäologin. Normal war eine. Zu sehen ist sogar noch eine gusseisernes Türangel. Daneben wurde eine Wendeltreppe freigelegt. „Der Eingang zu der geraden, steilen Treppe ist so eng gestaltet, dass mögliche Angreifer kein schweres Gerät mit sich führen konnten, um die wahrscheinlich schwere, eisenbeschlagene Tür aufzubrechen“, erklärt Nils Hellner, Architekt und Bauforscher. Eine weitere Besonderheit ist eine Art Kanal, der aus dem Haus herausführt. „Das könnte eine Viehtränke gewesen sein“, vermutet Archäologin Eileen Kose. Für die Versorgung der Bewohner gab es einen beachtlich großen Brunnen, der sehr gut erhalten ist. „Er ist ohne Computertechnik so exakt kreisrund gebaut worden“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Das musste auch sein, ansonsten hätte der Bodendruck den Brunnen zum Einsturz gebracht. Eileen Kose hat in dem rund 130 Quadratmeter großen Bereich mindestens drei unterschiedliche Bauphasen festgestellt.

Der Hofplatz neben dem Haus ist ebenfalls gut zu erkennen. Rote Backsteine sind sorgfältig in Reih und Glied verlegt. Diese zeugen aber auch von einem Drama, das sich nach Schätzung der Archäologen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts abgespielt haben muss. „Wir haben sehr viele Steine, auch Kalksteine gefunden, die im Feuer waren“, sagt Eileen Kose. Das Gebäude muss damals komplett ausgebrannt sein. „Es wurde zum großen Teil abgerissen und später wieder aufgebaut“, so die Erkenntnis der Archäologin. Unter Verwendung der vorhandenen Steine, die waren ein wertvolles Baumaterial. Anhand einer Gedenktafel lässt sich der Wiederaufbau genauer datieren. 1787 konnte das Gebäude von den Eigentümern wieder bezogen werden.

Das Grundstück wird der Erweiterung des Kalk-Tagebaus weichen. Archäologische Untersuchungen sind in solchen Fällen gesetzlich vorgeschrieben, von Lhoist aber auch ausdrücklich gewünscht und unterstützt. „Uns ist wichtig, dass dies hier dokumentiert und für die Nachwelt erhalten bleibt“, sagt Lhoist-Sprecher Christian Zöller. Das gehöre zur Nachhaltigkeit, die sich das Unternehmen auf die Fahnen geschrieben hat. Ausgrabungsleiterin Joanna Chanko wiederum dankt für die sehr gute Kooperation mit Lhoist und erklärt, dass bei 90 Prozent aller Fundstellen so verfahren wird.