„Angehörige haben einen sehr hohen Leidensdruck“

Katja Neveling leitet die Gruppe für Partner und Verwandte von Suchtkranken.

Foto: Caritas

Sie bieten Gesprächsgruppen für Angehörige von Suchtkranken an. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Katja Neveling: Angehörige haben einen sehr hohen Leidensdruck. Sie haben ihr eigenes Leben noch weitgehend im Griff, oft sogar das des Abhängigen gleich mit. Meist wird lange versucht, die Krankheit zu bagatellisieren und sie nach außen hin zu verheimlichen. Der Partner wird in Schutz genommen, seine Schwierigkeiten werden immer wieder „ausgebügelt“.

Oft wird doch der Lebenspartner eines Suchtkranken quasi zum „Komplizen der Sucht“. Sollte der Partner deshalb nicht immer „mittherapiert“ werden?

Neveling: Erstmal ist das Verhalten von Partnern doch eine gesunde Reaktion auf die Probleme des Suchtkranken. Sie wollen helfen und Lösungen suchen. Langfristig nehmen sie dem Erkrankten damit jedoch die Verantwortung ab und geraten selbst in einen Teufelskreis von Dauerstress und Überlastung. Für ein vertrauensvolles Miteinander ist es daher gut, wenn sich beide zu einer Beratung und Behandlung entschließen, um Beziehungsmuster gemeinsam zu betrachten und auch zu überdenken.

Womöglich verhindert sonst gerade der Angehörige die Heilung aus Furcht, selbst nicht mehr gebraucht zu werden?

Neveling: Über der stetigen Sorge und dem Verantwortungsgefühl für den Suchtkranken verlieren Angehörige ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse aus den Augen. Das Leben dreht sich nur noch um die „Sucht“. Übernimmt der Erkrankte selbst wieder mehr Verantwortung, kann durchaus ein „Loch“ entstehen. Die Partner müssen dann lernen, sich um sich selbst zu sorgen und ihre eigenen Bedürfnisse wieder mehr wahrzunehmen.

Sollte man sich sofort aus der Beziehung mit dem suchtkranken Partner lösen, wenn Kinder mitbetroffen sind?

Neveling: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Sind Kinder dem unberechenbaren Verhalten des abhängigen Elternteils ausgesetzt, sollte eine Trennung angestrebt werden. Das gilt auch für den Fall, dass Geld nur noch für Suchtmittel ausgegeben wird und Kinder nicht mehr versorgt werden.

Und wenn es die Kinder sind, die ein Suchtproblem haben?

Neveling:Jugendliche wollen sich ablösen und erreichen durch Sucht oft das Gegenteil. Die Eltern halten umso mehr fest und müssen dennoch lernen, loszulassen und Grenzen zu setzen. Um diese Verstrickungen zu entwirren, raten wir immer dazu, sich professionelle Hilfe bei einer Suchtberatungsstelle zu suchen.