Der die Gitarre umarmt
Philipp Stahl machte als 18-Jähriger beim Gitarren-Wettbewerb mit. In diesem Jahr unterstützt er die Arbeit der Jury.
Velbert. Vor vier Jahren saß er noch als Teilnehmer auf der Bühne, nun ist er Mitorganisator des Internationalen Gitarrenwettbewerbs für Jugendliche in Velbert: Philipp Stahl. „Eigentlich wollte ich Schlagzeuger werden, weil ich ein echter Zappelphilipp war“, sagt der 23-Jährige und schlägt zur Demonstration rhythmisch auf seine Oberschenkel.
„Aber das war meinen Eltern zu laut.“ So entschied sich der damals Sechsjährige für die Gitarre, die er heute gern auch als Percussion-Instrument nutzt. Er braucht den Klang und den Rhythmus.
Im Mai 2008 befand sich Philipp Stahl mitten im Abitur, als er beim Gitarrenwettbewerb antrat, der von der Musikschule und der Vereinigung europäischer Gitarrenlehrer (EGTA) organisiert wird. Neun Monate hatte er sich darauf vorbereitet. „Das war eine intensive Woche, weil ich am Sonntag Geburtstag hatte, am Montag und Mittwoch Abiprüfungen am Geschwister-Scholl-Gymnasium, und Donnerstag habe ich im Wettbewerb gespielt.“
Er habe das Finale zwar nicht erreicht, aber allein die Teilnahme sei etwas Besonderes, „weil nur die Cracks aus Europa und der Welt hierher kommen. Da darf man nicht im Boden versinken, wenn es nicht zum Treppchen reicht.“
In dieser Woche nimmt er den Wettbewerb zum ersten Mal von Veranstalter-Seite wahr — als Jury-Sekretär: „Ich muss zum Beispiel darauf achten, dass die Teilnehmer nicht zu lange spielen und wir den Zeitplan einhalten. Wenn jemand überzieht, ist das auch für die nachfolgenden Teilnehmer unangenehm. Die stehen dann mit der Gitarre vor der Tür, fangen an zu schwitzen und wissen nicht wohin.“ Zudem müsse er die Wertungen zusammentragen.
Die Herausforderung, die auf die jungen Musiker wartet, kann Stahl gut nachvollziehen: Er trat siebenmal bei „Jugend musiziert“ an, gewann 2007 mit einem Zupf-Quintett den ersten Preis beim Bundeswettbewerb. Zwar sei ein Pokal etwas Bedeutendes, mitgenommen habe er aus den Wettbewerben aber etwas von größerem Wert: „Ich habe gelernt, dass es sich lohnt, für ein Ziel zu arbeiten. Wenn man es beständig und motiviert verfolgt und dabei Unterstützung erfährt, kann man es erreichen.“
Im Sommer 2013 erhält Stahl an der Musikhochschule Wuppertal seinen „Bachelor of Music“ in Instrumentalpädagogik. Denn seinen Schwerpunkt sieht er im Unterricht: „Es gibt weltweit eine Handvoll Solo-Gitarristen, die ihr Geld allein auf Konzertbühnen verdienen können.
Da habe ich eine gesunde Selbsteinschätzung, dass ich so weit nicht komme.“ Das sei auch nicht frustrierend, im Gegenteil: „Es macht mir viel Spaß, mit Kindern zu arbeiten und ihnen das Gitarrenspiel beizubringen.“ Er unterrichtet an den Musikschulen in Velbert und Solingen, nicht um sein Studium zu finanzieren, sondern „weil ich in diesen Räumen meine Zukunft sehe“. Das merkt man: Zurzeit hat er 35 Schüler.
Studium und Arbeitsplatz schließen Bühnentätigkeiten jedoch nicht aus: Er ist seit 2004 Mitglied im Jugendzupforchester NRW, mit dem er Konzertreisen unter anderem nach China, Italien, die USA und zuletzt im April nach Russland machte. Zudem tritt er mit dem Velberter Markus Sich als Duo und dem Quintett „Senza Parole“ auf sowie mit der Jazzband „Jazz it“, in der er allerdings E-Gitarre spielt.
Ob Klasse oder Klampfe — was er macht, macht Philipp Stahl mit Herz: „Ich muss mich in ein Stück verlieben, um es überzeugend spielen zu können.“ Man versteht diesen Satz, wenn er zur Gitarre greift. Den bauchigen Resonanzkörper an die Brust haltend, den Kopf gesenkt, dem selbst hervorgerufenen Atmen der Gitarre lauschend, jede Saite sanft gezupft, umarmt er sie regelrecht und wird eins mit dem Klang. Am Ende hält er inne, blickt auf und sagt: „Musik ist die schönste Sache der Welt.“