Der Rittersitz ist sagenumwoben

Geheimnisse birgt der Rittersitz in Schöller. Jedoch hat das Dorf auch „große Söhne“ hervorgebracht. Unsere Autorin hat Otto Schell, Autor der Bergischen Sagen, etwas ins Stammbuch geschrieben.

Foto: Sabine Maguire

Wülfrath/Schöller. Lieber Otto Schell, was Sie da so an Bergischen Sagen zusammengetragen haben, ist wahrlich ein Meisterwerk. Ob in der Mettmanner Mühle am Goldberg, im Aprather Schloss oder wo auch immer: Überall dort, wo es in den vergangenen Jahrhunderten gespukt hat, waren Sie mit Papier und Feder zur Stelle. Man könnte fast glauben, Sie hätten allerorten mit der Geisterwelt am Tisch gesessen. In Schöller allerdings ist Ihnen wohl ein literarisches Malheur passiert. „Die dortige Geschichte der Bergischen Unterherrschaft Schöller entbehrt aller großen Momente“ - das haben Sie wortwörtlich zu Papier gebracht. Sie erinnern sich nicht? Monatszeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins von 1901 auf Seite 45: Dort steht es schwarz auf weiß, daran gibt es keinen Zweifel.

Keine großen Momente? Überbewertet? Da sind wir hier aber ganz anderer Meinung! Die Schoellerbank in Wien, das Großhandelshaus Schoeller & Co., die Schoeller´sche Kammgarnspinnerei: Wie schon der Name sagt, sollen die Gründerväter allesamt irgendwie mit den Herrschaften aus Schöller verbandelt gewesen sein.

Na ja, vielleicht nicht so direkt. Aber über die Jahrhunderte hinweg ließe sich das schon irgendwie zurückverfolgen. Einer soll es sogar zusammen mit Alfred Krupp auf den Chefsessel einer Metallwarenfabrik gebracht haben. Ein anderer gründete die Schoellershammer Papierfabrik in Krauthausen. Wenn das keine großen Momente sind, was dann?

Und es geht noch weiter mit den großen Söhnen eines kleinen Dorfes. Konrad Heresbach und Johann Friedrich Benzenberg: Beide haben in Sichtweite zum Schöller´schen Rittersitz das Licht der Welt erblickt. Der Eine ging als Humanist und Prinzenerzieher in die Annalen ein. Der Andere war Professor für Physik und Astronomie - und machte sich als Landvermesser einen Namen, weil er vor 200 Jahren in einem Anfall von Leichtsinn gesagt haben soll: „Beim Cataster ist die Hauptsache, dass es fertig werde; dann zweitens, dass es genau werde.“ Gelegentlich waren die Astronomen alter Schule ja auch „Sternegucker“ im esoterischen Sinne und der gute Benzenberg hat womöglich damals schon gewusst, dass es mit den räuberischen Streifzügen des „Kob Hannes“ irgendwann ein übles Ende nehmen wird. Denn der wiederum soll im Schöller´schen Turm — mit Honig beschmiert — von Bienen und Wespen traktiert worden sein.

Dieses Schicksal soll noch vielen dort malträtierten und verirrten Seelen zuteil geworden, von denen Sie, lieber Otto Schell, in Ihren Sagen schreiben, dass deren Geister fleißig im Gemäuer herumspuken. Blättert man sich durch die Chroniken, so dürften tatsächlich in und um Schöller herum so einige Köpfe gerollt sein. Im Hahnenfurther Gerichtshaus wurde Recht gesprochen, an der Schöllersheide stand der Galgen: Man möchte sich nicht vorstellen müssen, wie es rings um Schöller so zugegangen sein muss. Zu den „großen Momenten“ dürfte dass wohl eher weniger gehören.