Diakonie betreut allein geflüchtete Kinder
In Wohngruppen treffen sie auf deutsche Altersgenossen.
Wülfrath. Es ist jedes Mal Menschen-Lotto. Die Türen der Busse vor einer Notunterkunft gehen auf, und statt anonymer „Flüchtlinge“ steigen Menschen aus. „Man weiß nie, wie viele davon Kinder und Jugendliche sind“, sagt Evelyn Leon.
Sie ist Bereichsleiterin des Kinder- und Jugendhilfeverbundes der Bergischen Diakonie. Die Minderjährigen, die allein auf der Flucht waren und nun den Bussen entsteigen, werden vom Jugendamt betreut und dann in die Obhut zum Beispiel der Bergischen Diakonie gegeben. Sie kommen in Wohngruppen mit anderen Kindern und Jugendlichen zusammen, essen mit ihnen, spielen zusammen.
„Das funktioniert bestens. Unsere Kinder und Jugendlichen empfangen sie mit Freude. Sie stellen ein paar Blümchen ins Zimmer, schenken ein Kuscheltier oder legen Obst hin“, weiß Leon. Doch Kinder aus Afghanistan, dem Kongo, Syrien oder Marokko lebten einst anders und haben ihr Denken und ihre Sitten mitgebracht. Sie erkunden vorsichtig ihr neues Umfeld. „So etwas wie hier kennen sie ja meist gar nicht. Manche denken, sie sind in einer großen Familie oder in einem Hotel.“ Deshalb wunderten sich manche, wenn Mitarbeiter im Schichtdienst wechselten und die Kinder denken: „Erst eine Mama, dann kam eine zweite und später noch eine dritte Mama“, erzählt sie.
Die Bergische Diakonie kümmert sich momentan stationär und teilstationär um rund 200 Kinder und Jugendliche aus der Region. Acht Flüchtlinge im Alter zwischen 14 und 17 Jahren betreut sie derzeit in den Wohngruppen zusätzlich. Und es klappt. Überraschend unkompliziert. „Die deutschen Jugendlichen und die minderjährigen Flüchtlinge sind neugierig aufeinander. Sie wollen sehen, wer das ist und wie er ist“, sagt Leon. Immerhin haben viele der Minderjährigen schreckliche Kriegserfahrungen, flüchteten zum Teil jahrelang quer über den Kontinent. „Doch obwohl viele traumatisiert sind, nehmen sie ihre neue, früher fremde Heimat nun an“, sagt Leon. Sie sind glücklich, in die Schule gehen zu dürfen, etwas mehr als nötig essen zu können. „Sie werden sich schnell integrieren“, ist sich Leon sicher. Sie lernen und wollen etwas erreichen. Dabei hilft sicherlich das erzwungene schnelle Erwachsenwerden während Krieg, Flucht und vielen einsamen Stunden ohne Eltern, Geschwister und Freunden. „Sie haben gelernt, für sich zu sorgen“, sagt Leon. Eine Selbstständigkeit, die ihnen in der neuen, fremden Heimat helfen wird, sind sich viele Betreuer sicher.
Kritiker der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland entgegnet Evelyn Leon mit einem Beispiel. „Ich arbeitete in den 1980-er Jahren mit den Boat People.“ Den Menschen, die in Südostasien über das Meer flüchteten, von der Cap Anamur aufgenommen wurden und nach Deutschland kamen. Sie sind heute vollkommen integriert. „Die bemerkt man in unserer Gesellschaft heute doch gar nicht mehr. Und in Zukunft, wenn weitere Flüchtlinge hier eine Heimat finden? „Es wird anders werden. Es wäre aber auch ohne sie anders geworden.“