Die Einsicht ist der größte Schritt

Sieben Jahre lang war Hannelore Müller Alkoholikerin. Erst in der Beratungsgruppe für Frauen bei der Diakonie konnte sie sich öffnen.

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Velbert. Die Kinder haben sie erwischt. Hannelore Müller (Name von der Redaktion geändert) hatte ihre Alkoholsucht über sieben Jahre geheim halten können. Die leeren Flaschen versteckte sie, ihrem Umfeld und sich selbst gestand sie das Problem nicht ein. Erst als der Sohn sie völlig betrunken vorfand, schickte er die Mutter ins Krankenhaus. Heute sagt Müller: „Ich wünschte, ich hätte früher erfahren, wo es Hilfe gibt.“

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Die bietet die Bergische Diakonie in Velbert an. Jede Woche Dienstag treffen sich Frauen an der Bahnhofstraße zu einer sogenannten „Beratungs- und Motivationsgruppe“. Die derzeit sieben Frauen mit Alter zwischen 25 und 70 vereint ein Thema: die Sucht. „Für viele ist es eine Erleichterung zu sehen, dass da ganz normale Menschen sitzen, die das gleiche Problem haben, wie man selbst“, sagt Sabine Marquardt, die die Gruppe leitet.

Schon seit Jahrzehnten gibt es in Velbert parallel zu der „gemischten“ Suchtgruppe, zu der jedoch nur Männer kommen, auch eine eigene Frauengruppe. Judith Ortmann, Leiterin der Fachstelle Sucht erklärt: „Es ist sinnvoll, Frauen einen geschützten Rahmen zu bieten, wo sie Gehör finden und kein Mann zugegen ist.“

Bei der Diakonie kommt jedoch nicht nur das Thema Alkohol zur Sprache, sondern auch andere Formen der Sucht, wie etwa Kaufsucht oder Tablettenabhängigkeit. Ortmann weiß: „Medikamentensucht ist bei Frauen verbreiteter als bei Männern.“ Eben weil diese Form der Betäubung leichter zu verstecken ist. „Auch trinken Frauen nicht so offen wie Männer.“

Bei Hannelore Müller war das Abrutschen in den Alkoholismus ein schleichender Prozess. „Es hat mit einem Glas Wein am Abend angefangen. Dann wurde es immer mehr“, sagt sie. Ausgelöst wurde die Krise bei ihr durch eine Serie von persönlichen Rückschläge: Erst starb ihr Mann, dann musste sie sich mit der Aufgabe ihres Geschäfts und dem Verkauf ihres Hauses beschäftigen. „Ich dachte, die Katastrophen nehmen kein Ende mehr“, erinnert sie sich.

Doch welche zentrale Rolle bei ihr die Sucht einnahm, das wollte sie zunächst nicht wahrhaben. Zwei Jahre ging sie zu einer Familienberatung, sprach über ihre Probleme und Sorgen — und ließ das Thema Alkohol aus. „Ich bin da immer drum herumgekreist“, gesteht sie. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt kam dann der entscheidende Schritt: der Anruf bei der Beratungsstelle. „Da muss man dann zum ersten Mal sagen, dass man Alkoholiker ist. Das ist der größte Sprung.“

Ihr Mut machte sich bezahlt. In der Velberter Gruppe fand sie nun endlich den Halt, der sie wieder auf einen guten Weg führte. Sie hat eine dreimonatige Entwöhnung hinter sich und ist nun trocken. Damit das so bleibt, geht sie weiter jeden Dienstag zur Diakonie: „Die Gruppe ist mein Anker.“