Ein Mann und seine Kathedrale

Bernd Kicinski verwandelte eine Ruine in eine Anlaufstelle für Kulturliebhaber.

Foto: Achim Blazy

Wülfrath. Bernd Kicinski ist ein waschechter Musical-Fan. Ob „Les Miserables“, „Joseph“, „Die Schöne und das Biest“ „Cats“ oder das Udo-Jürgend-Singspiel „Ich war noch niemals in New York“ — wo in Deutschland Musicals aufgeführt werden, ist er hingereist. Als schönen Gegenpol und entspannenden Moment zu seinen Aufgaben als gelernter Tischler empfand der 51-Jährige diese musikalischen Ausflüge.

Ursprünglich betrieb der gebürtige Wülfrather seine Werkstatt in Metzkausen. „Von den Aufträgen von damals kann man heute nur träumen“, erinnert er sich an schöne handwerkliche Aufgaben, zu denen die Kultur den passenden Ausgleich schuf.

Die neuapostolische Kirche in Mettmann bauten er und sein Team von der Decke bis zum Altar aus, für die Klosterkirche in Bayenburg in Wuppertal nahm er sich der Portale an. „Pro Tor waren die 3,30 mal 1,30 Meter groß und wurden in Kassettenform ausgebaut.“ Geschäftsausbauten in Moskau, Bühnen für den Karneval in Düsseldorf und immer mal wieder Kulissen für TV-Formate füllten das Auftragsbuch.

„Und über einen Zufall bin ich dann auf das Areal am Schlupkothen aufmerksam geworden.“ Damals war das ehemalige Gründungsgebäude der Rheinischen Kalksteinwerke mehr Ruine als alles andere. Nach Hauskauf und Modernisierung, dem Aufbau einer modernen Tischlerei verwandelte er die vormalige Dreiraumansammlung unterschiedlicher Größe zur selbst ausgebauten Kathedrale. „Weil 2001 der Begriff ‚Kommunikation’ in aller Munde“ war, benannte er das Gebäude entsprechend als Kommunikationscenter.

Ein Ort für allerlei Gelegenheiten, den Bernd Kicinski und Mitorganisator Norbert Laschewski schnell als Vortragsort für Lesungen etablierten. „Aber das entwickelte sich als zu großes Zuschussgeschäft.“ Mit dem Kurswechsel zu einem stärkeren musikalischen Schwerpunkt kam der Erfolg. „Etwa 30 Veranstaltungen haben wir im Jahr“, das waren mal mehr. Aber weil Kicinski Auswahl, Booking und Organisation allein stemmt, ist mehr Programm kaum realisierbar. Wenngleich es an Anfragen nicht mangelt.

Wer die Kathedralenbühne nutzen möchte, bewirbt sich mit Demo-Band, „da höre ich rein oder sehe es mir an und überlege, ob der Künstler zu uns passt“. Tom Daun, die HeartDevils oder Dr. Mojo gehören zu den Stammgästen, „wir versuchen, Bewährtes und Neues abwechslungsreich im Programm zu kombinieren“. Sein Publikum hat sich das Kathedralen-Team, unentgeltlich tätige Ehrenamtler, längst erspielt. „Es gibt Leute, die sagen: ‚Wenn ich Sonntag Zeit habe, komme ich.’ Denen ist ganz egal, wer auf der Bühne steht, weil sie wissen, dass es immer etwas Sehenswertes ist.“

Den Mut, „Dinge auf sich einströmen zu lassen und mal Neues zu erfahren“, wünscht sich der Mann, der zudem Geschäftsführer des Stadtkulturbundes ist, von mehr Menschen. Als Phänomen unserer Zeit empfindet er die totale Überfrachtung. „Wir setzen uns selten mit dem auseinander, was ist, sind zu selten im Hier und Jetzt und dafür gedanklich immer schon bei dem, was kommt und getan werden muss.“ Mehr bei sich zu sein, da helfe Kultur. „Bei Lesungen lernte ich, wieder richtig zuzuhören.“