Neviges Mehr als 500 alte Fotografien erzählen Nevigeser und Familiengeschichte
Neviges · Jürgen Oberwinster begann bereits als Jugendlicher mit seiner Sammelleidenschaft.
Fotos von Neviges haben Jürgen Oberwinster immer schon begeistert. „Als Jugendlicher habe ich angefangen, Ansichtskarten zu sammeln, die kosteten ja nur ein paar Pfennige“, erinnert sich der 58-Jährige. „Früher gab es Münzbörsen in der Stadthalle, da wurden unter anderem ganz alte Postkarten mit Nevigeser Motiven angeboten.“
Die Leidenschaft für solche Bilder hat Jürgen Oberwinster vom Vater geerbt. Emil und Hanni Oberwinster betrieben von 1964 bis 1989 die Gaststätte „Em Oberdorp“ am Rommelssiepen. Ein beliebter Anlaufpunkt für die Nevigeser: „Das Fanfarencorps, das Jugend-Rotkreuz oder die Landjugend trafen sich hier“, erinnert sich Oberwinster und weiß, dass viele Bilder mit Nevigeser Motiven die Wände zierten. „Besonderer Stolz vom Vater war ein Wandgemälde mit der Alten Burg, von der niemand weiß, wie sie wirklich ausgesehen hat.“ Viele Bilder halten die Erinnerung an den damals angesagten Treffpunkt fest, der unter anderem von den „Drei Musketieren“ besucht wurde, die Werbung für eine bekannte Wuppertaler Brauerei machten, deren Bier selbstverständlich im „Oberdorp“ aus dem Zapfhahn floss. Ein Foto zeigt Klein-Jürgen mit seinem Bruder Bernd, wie sie ein Fähnchen schwenkend den Haudegen zwischen den Beinen wuseln.
Die alten Fotos halten Familiengeschichte fest. „Am Weinberg wird bald ein Haus abgerissen, in dem haben meine Mutter, Großmutter und Urgroßmutter gelebt.“ Der Bildersammler hat mit dem alten Haus und den Portraits der Damen eine Kollage angefertigt: „Damit habe ich eine schöne Erinnerung.“ Nebenbei erfuhr Oberwinster, dass seine Urgroßmutter von der „Großen Höhe“ stammte, die heute als Wimmersberg bekannt ist und wo der Sammler wohnt.
„Durch meine Tätigkeit als Postbeamter habe ich viele Leute kennengelernt, die ich immer mal frage, ob sie nicht alte Fotos für mich haben.“ Inzwischen ist die Sammlung auf gut 500 Bilder angewachsen, angefangen von der Kaiserzeit bis zum Anfang des 21. Jahrhundert. Sie zeigen nicht nur alte Gebäude, sondern auch Menschen. Oberwinster legt Wert darauf, die Namen der Abgebildeten zu vermerken. Es sind die ganz normalen Nevigeser bei ihren alltäglichen Tätigkeiten, die den besonderen Reiz ausmachen. Da sind die Gesellen einer Metzgerei, der Straßenreiniger Karl Schüller, aber auch das Trio von der Müllabfuhr, das stolz vor dem neuen Mercedes-Laster mit dem Wappen der Stadt Neviges posiert. Davor wurde die Abfallentsorgung mit Pferd und Wagen besorgt. Wie gut, das jemand so etwas Banales mit einem Fotoapparat festhielt. Jedes Bild vermittelt Geschichte, nicht nur weil alte Häuser verschwunden sind und neue dazukamen, sondern auch weil sich die Infrastruktur änderte. Heute kann sich keiner vorstellen, wie sich die Straßenbahn durch die engsten Stellen der Elberfelder Straße zwängte. Eine ganz wichtige Maßnahme war der Bau der Kanalisation vor rund 100 Jahren, erst damit konnte die Typhusepidemie beendet werden. In den 40-er Jahren wurden französische Zwangsarbeiter zum Bau des Bunkers an der Wilhelmstraße herangezogen.
Es gibt aber auch Fotos, da muss der Nevigeser passen, um welche Leute oder um welchen Bau es sich handelt. Fast alle Fotos hat Jürgen Oberwinster in digitale Dateien umgewandelt, die er seit einigen Monaten in einer Facebook-Gruppe teilt. „Da mache ich unterschiedliche Erfahrungen: Zum einen wissen es die Leute besser, stehen aber manchmal vor dem falschen Haus.“ Bilder aus der Nazizeit möchte Oberwinster nicht ins Netz stellen: „Das könnte zu Irritationen führen“, sagt er und denkt dabei etwa an ein Foto, auf dem die Hakenkreuzfahne vom Kloster weht.