Hobbyforscher suchen nach Stollen
Die Gruppe wurde unter der Stadt an vielen Stellen fündig und hofft auf Tipps von Zeitzeugen.
Velbert. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege haben im wahrsten Sinne des Wortes einiges aus der jüngsten Velberter Geschichte ausgegraben. So verfolgten sie anhand kleinster Fundstücke das Schicksal britischer Bomberbesatzungen, die im Zweiten Weltkrieg über Neviges abgeschossen wurden. Durch ein Internetforum wurden sie auf die unterirdischen Stollen aufmerksam, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges rund um die Gießereien in der nördlichen Velberter Innenstadt geschaffen wurden. „Der Mitarbeiter einer ehemaligen Gießerei wusste von inzwischen zugemauerten, unterirdischen Stollen zu berichteten, mehrere hundert Meter lang mit geheimnisvollen Treppen“, so Jürgen Lohbeck.
Von einem Luftschutzstollensystem, das gerüchteweise von der Talstraße bis zum Offerbusch reichte, wusste man in Velbert immer schon. „Das lag nahe, denn die Gießereien waren Teil der Rüstungsindustrie und damit Ziel möglicher Bombenangriffe“, erläutert Jürgen Lohbeck, der zusammen mit den anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe mit den Nachforschungen begann. „Was uns überrascht hat, ist die Größe und Tiefe der Anlage“, sagt er und zeigt den Plan eines Treppenhauses vom November 1944: Der Eingang zu einem Luftschutzstollen an der Höferstraße, gegenüber dem heutigen Kiosk, war 15 Meter tief. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, aber Zeitzeugen können sich noch daran erinnern. „Die Tiefe ist dadurch begründet, dass der Stollen bombensicher sein musste.“
Im Stadtarchiv fanden sich weitere Beweise für den Bau der Luftschutzstollen. Die Firma Veruschacht aus Essen, die sich mit Bergbau auskannte, wurde von der Stadt Velbert mit dem Bau beauftragt. Da die meisten Männer eingezogen waren, mussten Zwangsarbeiter ran. „Meistens waren es Russen, aber auch Italiener und Franzosen. Noch im Februar wurde rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb gearbeitet“, hat Josef Niedworok in den noch vorhandene Unterlagen festgestellt. Der damalige Bürgermeister Leopold Tweer konnte den Nachweis über 6000 Schutzplätze erbringen. In einem Bebauungsplan von 1979 sind noch Hinweise auf die Stollen vorhanden, im selben Jahr wurde ein Stollen letztmalig „befahren“, bevor er zugeschüttet wurde, weil er nicht mehr standsicher war.
Neben der Villa Berninghaus, die Ende September wieder als Jugendzentrum öffnet, befand sich neben einem Löschteig ein weiterer Stolleneingang. Beim Bau des Forums Niederberg wurden Stollen entdeckt, die als Überbleibsel des Bergbaus deklariert wurden. „Völliger Quatsch, Bergbau hatte dort nie stattgefunden“, wie Niedworok weiß.
„Wir haben einen Fachbericht an das Rheinische Amt für Denkmalpflege verfasst, für einen ausführlichen Vortrag reicht das Material nicht“, bedauert Josef Niedworok und hofft auf Hinweisen aus der Bevölkerung. „Es gibt sogar Gerüchte, dass es Stollen bis zum Baldeneysee gab“, erzählt er. „Von solchen Legenden leben wir, indem wir sie hinterfragen“, beschreibt Sven Polkläser das ernsthafte Vorgehen der Hobbyforscher. Er betont: „Wir respektieren es, wenn Hinweisgeber anonym bleiben möchten, da haben wir Verständnis für.“