Neviges Industrie kämpft ums Überleben

Neviges. · Die Rezession, verursacht durch die Corona-­Krise, hat die niederbergische Wirtschaft erreicht. Mit voller Wucht trifft es die Automobilzulieferer. Die Mitarbeiter des Nevigeser Unternehmens Erbslöh Aluminium befinden sich in Kurzarbeit.

 Bei Erbslöh Aluminium an der Siebeneicker Straße rufen die Automobilhersteller wegen der Corona-Krise kaum noch Zulieferteile ab.

Bei Erbslöh Aluminium an der Siebeneicker Straße rufen die Automobilhersteller wegen der Corona-Krise kaum noch Zulieferteile ab.

Foto: Ulrich Bangert

„Abrufe der Autohersteller sind nicht spürbar, das einzige was vernünftig läuft, sind Aufträge für Tesla und Volvo“, sagt Unternehmenssprecherin Monika Kocks, die keine Prognose wagt, wie es weiter geht.

„Wir fahren auf Sicht, das ist extrem schmerzhaft für Belegschaft und Management. Natürlich gibt es Szenarien, für bestimmte Entwicklungen, aber wir wissen ja eben nicht, wie es weiter geht. Wenn die Abrufe der Automobilindustrie wieder hoch gehen, stehen wir Gewehr bei Fuß“, so die Vertreterin des Produzenten von Strangpressprofilen an der Siebeneicker Straße, der noch keine Staatshilfen in Anspruch genommen hat.

Weniger Einbußen hat die Orgro Beschlagtechnik zu verzeichnen: „Wir arbeiten zum großen Teil für die deutsche Bauindustrie, die ist von der Krise nicht so betroffen“, gibt sich Geschäftsführer Volker Kirchberg erleichtert. „Es zeigt sich allerdings, dass die Großhändler vorsichtiger bei Bestellungen sind, um kein Kapital zu binden. Schwieriger wurde es im Export bei Ländern wie Italien und Frankreich, die wochenlang im totalen Stillstand waren.“ Sorge macht sich Kirchberg um das, „was von unten nach kommt“, wenn Kommunen und weitere öffentliche Auftraggeber kein Geld mehr haben und nicht mehr bauen lassen. „Die Krise in der Baubeschlagbranche werden wir in ein bis zwei Jahren merken.“

Die Gewerkschaft IG Metall bewertet die Lage als dramatisch: Eine aktuelle Befragung unter 41 Betriebsräten in Velbert, Wülfrath und Mettmann zeigt, dass in rund 73 Prozent dieser Betriebe die aktuelle Situation schlecht bis sehr schlecht ist. Diese Situation spiegelt sich bei der Kurzarbeit wieder. „In vielen Betrieben bewahren Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge, die eine Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld regeln, die Beschäftigten vor existenziellen Nöten. In anderen Fällen hilft der Beschluss des Koalitionsausschusses zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, auf den die IG Metall lange gedrängt hat“, so Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert. Besorgt ist die Industriegewerkschaft, dass in rund 60 Prozent der befragten Betriebe bereits Liquiditätsengpässe bestehen oder in den nächsten sechs Wochen erwartet werden. „Darum muss dafür gesorgt werden, dass die von Bund und Land bereitgestellten Finanzierungsmittel jetzt schnell und unkompliziert in den Betrieben ankommen. Außerdem braucht es ein Konjunkturprogramm für die Zeit nach der Krise, um die Nachfrage schnell anzukurbeln“, sagt Civelek, der im engen Kontakt mit den Betriebsräten steht: „Es gibt Betriebe, die stehen definitiv vor der Insolvenz, einige überlegen, eine Insolvenz in Eigenverantwortung durchzuführen.“ Um die Krise zu meistern, setzt der Gewerkschafter auf das Instrument der Kurzarbeit und auf zeitlich begrenzte Tarifabweichungen.

Über die aktuelle Lage hinaus kritisiert der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, dass Unternehmen nach der Krise 2008/09 zwar gut verdient hätten, aber drei bis fünf Jahre zu spät den Transformationprozess in der Industrie angegangen sind.