Kleine Monster bevölkern Wülfrath
Die Handy-App „Pokémon GO“ macht die Wirklichkeit zum Spielfeld. Was hat es mit dem Phänomen auf sich? Die WZ wollte es wissen und ging zwischen Heumarkt und Generationen-Park auf Tierchen-Jagd.
Wülfrath. In Fußgängerzonen, Parks, Supermärkten, Cafés und selbst auf dem Fahrrad schwenken seit einigen Tagen Jugendliche und junge Erwachsene ihr Handy durch die Gegend und suchen kleine Monster. Für Nicht-Eingeweihte ein befremdliches Phänomen.
Schuld ist „Pokémon GO“, eine App, die die echte Welt zum Spielfeld macht. Durch die Handykamera sehen die Spieler Pokémon in ihrer realen Umgebung, die sie einfangen und sammeln müssen. Wer’s noch nicht gemacht hat, kann das Ganze schwer verstehen. Da hilft nur, die begehrte App zu installieren und loszulegen. Wir haben den Selbstversuch in Wülfrath gewagt.
Während das Spiel startet, kommt die erste Warnung. „Sei wachsam, behalte deine Umgebung im Auge.“ Der Hinweis kommt nicht ohne Grund. Seit das Spiel am 7. Juli in den USA und dem 13. Juli in Deutschland auf den Markt gekommen ist, wurden diverse Pokémon-Spieler auf ihrer angestrengten Suche in Verkehrsunfälle verwickelt. Wir wollen da wachsamer sein.
Nachdem wir der App den Zugriff auf unser gesamtes virtuelles Leben erlaubt haben — Standort, Kamera, E-Mails — kann es losgehen. Eine Karte zeigt die Umgebung und schon nach ein paar Schritten meldet sich das erste Comic-Tierchen: Vor dem VHS-Gebäude am Ware-Platz sitzt ein dickes, gelbes Monster und springt herum. Das sehen wir ganz genau, weil sich die Handy-Kamera einschaltet, sobald ein Pokémon in der Nähe ist.
Durch Wischen auf dem Display können wir das virtuelle Monster vor der realen VHS mit Bällen bewerfen und auf diese Weise einfangen.
Ein erster Erfolg. Das Spiel lobt uns als „begabten Pokémon—Trainer“. Plötzlich stehen wir in einer Arena. Vielen Wülfrathern ist sie wohl eher bekannt als Ware-Platz. Aber genau dort ist im Spiel ein Platz eingezeichnet, auf dem verschiedene Tierchen gegeneinander antreten können. Unsere aber offenbar nicht, dafür — so informiert uns das Spiel — müssen wir erst zum Level 5 aufsteigen. Ach so.
Die Pokémon werden nicht wahllos in die Landschaft platziert, sondern passen sich den Gegebenheiten an. So ist es kein Zufall, dass wir am Krapps Teich einen an Land hüpfenden Fisch antreffen. Noch erstaunlicher ist aber, dass wir in der Altstadt die lila Ratte „Rattfatz“ finden. Ob die Spiele-Entwickler um Wülfraths Rattenplage wissen?
Schnell merken wir: An diesem sonnigen Tag sind wir in Wülfrath nicht alleine auf der Jagd. Immer wieder kommen uns junge Leute entgegen, die während des Spazierens ihr Display in die Höhe halten.
Juliane Braun (21) und Julian Schmidt (26) sind ebenfalls dem Sammel-Wahn erlegen. „Das Spiel motiviert einen raus zu gehen“, sagt Juliana Braun. „Mittlerweile gehen wir deswegen zwei bis drei Mal am Tag spazieren“, sagt die Wülfratherin.
Leider, so bedauern die beiden, haben sie noch keine legendären Pokémon in Wülfrath entdeckt. Weil es einige der digitalen Freunde nur ganz selten und nur an bestimmten Orten gibt, reisen eingefleischte Pokémon-Fans durch die gesamte Bundesrepublik, um die raren Exemplare zu fangen.
Dabei ist es dem Spiel egal, wo es die Pokémon auftauchen lässt: Krankenhäuser, Friedhofe, Gedenkstätten — überall grinsen die freundlichen Figuren. Dass das in vielen Fällen problematisch sein kann, dürfte klar sein.
Auch an der Diek-Baustelle fliegt ein Vögelchen an den Baumaschinen umher. Das Spiel lockt uns zudem mit der Information, dass sich noch weitere Pokémon ganz in der Nähe aufhalten. Bevor wir jetzt zwischen den Baggern herumturnen, legen wir lieber eine Pokémon-Pause ein.
Zumal wir bereits negativ aufgefallen sind. Wer nämlich ständig seine Handykamera schwenkt, erweckt bei Fremden oft den Eindruck, sie zu filmen. Eine Frau in einer Altstadt-Gasse schaut uns schief an. Die Erklärung, dass wir nur einen lila Seestern abwerfen wollten — geschenkt.