NS-Opfer beeindruckt Schüler

Kurt Maier wurde von den Nazis in ein französisches Internierungslager deportiert. Er überlebte und erzählt seine Geschichte.

Wülfrath. Bedrückt schauen die vier Menschen auf dem Schwarz-Weiß-Foto, das auf die gelbliche Wand projiziert wird. Einer davon ist Kurt Maier. Keine zehn Jahre alt ist der jüdische Junge damals, um 1938.

Die Familie kann nur ahnen, wie es um ihre Zukunft in Nazi-Deutschland bestellt ist. Es ist keine gute Ahnung. „Viele jüdische Familien haben sich damals noch einmal fotografieren lassen und die Bilder zu Freunden und Familienangehörigen geschickt. Sie dachten sich: vielleicht ist es das letzte Foto, das von uns gemacht wird“, erzählt der 1930 geborene Maier den Schülern des Wülfrather Gymnasiums.

Aufmerksam verfolgen die meisten Jugendlichen die Berichte des Mannes, der im badischen Kippenheim seine Kindheit verbrachte und noch zu NS-Zeiten mit seiner Familie nach Amerika floh. Es sind Erzählungen aus einer Zeit, die für sie schon unvorstellbar lange vorüber ist.

Kurt Maier hat sich darauf eingestellt. Der kleine Mann mit der blauen Krawatte geht schon etwas gebückt. Sein Deutsch ist deutlich amerikanisch eingefärbt. „Ich bin in einer Welt ohne Fernseher, iPod und Playstation aufgewachsen — könnt Ihr Euch das noch vorstellen?“, fragt er in die Runde. Mehr als 60 Jahre Altersunterschied muss er zu den Neunt- und Zwölftklässlern überbrücken.

Seit 15 Jahren ist er mindestens einmal im Jahr in Deutschland unterwegs, um seine Geschichte und die Geschichte der Juden in Deutschland zu erzählen. Er zeigt Fotos von fröhlichen Menschen, von der zerstörten Synagoge in seinem Heimatort nach der Pogromnacht und Fotos von dem Tag, als er und seine Familien in das Internierungslager im französischen Gurs deportiert wurden. „Aus einem Buch zu lernen ist nicht das gleiche“, sagt Maier. Er wolle auf einem persönlichen Weg die Geschichte vermitteln.

Im Gymnasium an der Kastanienallee ist es bereits der dritte Zeitzeugenbesuch, den Lehrer Klaus-Peter Rex organisiert hat. „Ich glaube, dass die Schüler bei so etwas mehr lernen“, begründet er die Relevanz solcher Veranstaltungen. Seine Formel: Wer persönlich berührt wird, der vergisst nicht. Beim Auswendiglernen passiert so etwas nicht.

Die beiden Schüler der Jahrgangsstufe neun, Nils und Jan, sind sich einig: Geschichte aus erster Hand von einem Betroffenen zu erfahren, ist viel interessanter als normaler Unterricht. In der Schule sei das Thema NS-Zeit in Deutschland noch nicht sehr intensiv behandelt worden, sagt Nils. „Das meiste kommt noch.“

Jan findet weniger die Lebensgeschichte von Maier interessanter als das, was damals in Deutschland passiert ist. Das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte rückt für ihn und seine Klassenkameraden immer mehr in den Hintergrund. „Ehrlich gesagt beschäftigen wir uns wenig mit dem Thema.“