Ratingen. Julia (Name geändert) ist 14 Jahre alt, ihre Eltern haben sich vor kurzem getrennt. Eine schwierige Situation: Noch wohnt die Familie unter einem Dach, doch Julias Vater ist ausgerechnet mit der Mutter ihrer ehemals besten Freundin zusammen. Die redet mittlerweile nur noch negativ über Julia, ihre Eltern sprechen gar nicht mehr miteinander.
"Ein authentischer Fall bei uns", sagt Hugo Balliel, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle der Stadt Ratingen. Familiäre Konflikte belasten Heranwachsende, schnell wachsen einem die Probleme über den Kopf.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Hilfe bei der Beratungsstelle suchen, hat deutlich zugenommen. Im Jahr 2000 waren es noch 617, zuletzt aber deutlich über 700 - etwa drei bis fünf Prozent aller Ratinger Kinder. "Es wird immer akzeptierter, sich an Beratungsstellen zu wenden", hat Balliel festgestellt.
Viele Eltern hätten sich früher nicht getraut oder wären einfach nicht informiert gewesen. Deshalb sieht der Leiter Beratungsformate im Fernsehen à la "Die Super-Nanny" auch nicht negativ. "Über einzelne Punkte kann man natürlich diskutieren. Aber grundsätzlich finde ich gut, dass sich mit dem Thema befasst wird. Das hilft auch uns."
Zum Großteil suchen die Eltern selbst den Kontakt zur Beratungsstelle, oft sind es aber auch Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen. Manchmal kämen die Jugendlichen sogar selbst.
Dann dränge das Problem meist, so Balliel. Auffällig ist, dass der Anteil der Gymnasiasten gut 13 Prozent beträgt. "Hier ist oft der Leistungsdruck das Problem. Eltern wollen für ihre Kinder den möglichst besten Abschluss", sagt Balliel. Das überfordere aber oft den Nachwuchs. Überhaupt machten schulische oder berufliche Probleme von jungen Menschen den Hauptteil der Beratungen aus.
"Wir sind meistens die erste Anlaufstelle", sagt Balliel. Alles geschehe anonym, die Mitarbeiter seien außerdem an die Schweigepflicht gebunden. So will man Betroffenen auch Hemmungen nehmen, sich zu melden. Notfälle seien oft genug darunter. "Gut zehn bis 15-mal im Jahr melden sich Angehörige, weil Kinder sich mit Selbstmordgedanken tragen", weiß Balliel.
Für Julia hatte der Besuch bei der Beratungsstelle zumindest ein kleines Happy-End: Ihre Eltern kamen schließlich gemeinsam an die Philippstraße und erkannten im gemeinsamen Gespräch, wie tief ihr Verhalten auch Julia traf.