Ratingen: Ein Riss geht durchs Rathaus

Vier Parteien liegen im Streit mit dem Bürgermeister: Es geht um die Frage, wie viel Kontrolle die Verwaltung braucht.

Ratingen. Ein Streit mit Seltenheitswert spielt sich zurzeit im Rathaus ab. Denn über eigentlich scharfe Parteigrenzen hinweg eint die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP derzeit ihre Wut auf Bürgermeister Harald Birkenkamp. Am Freitag attackierten sie das Stadtoberhaupt scharf. Er sei seiner Informationspflicht nicht nachgekommen und seinem eigenem Interesse gefolgt.

Was die Politker - mit Ausnahme der Bürger Union - erzürnt, ist der Umgang Birkenkamps mit einem Ratsbeschluss vom Januar. Damals hatten die Ratsmitglieder entschieden, ein Beschlusskontrollsystem einzuführen. "Das wollten wir Ratsmitglieder mehrheitlich so, weil wir so nachvollziehen können, welche Beschlüsse denn nun auch von der Verwaltung umgesetzt worden sind und welche nicht", sagt Susanne Stocks, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Bisher müssen die Politiker immer wieder nachhaken, was aus ihren Beschlüssen geworden ist. "Wir wollten sicher gehen, dass nicht irgendeine Sache unter dem Tisch fällt."

Birkenkamp schmeckte so viel Kontrolle aber gar nicht. Er beanstandete den Beschluss mit der Begründung, dass er rechtlich unzulässig sei. Im Mai legte der Rat dennoch mit einem gleichlautenden Beschluss nach. Daraufhin holte sich Birkenkamp Hilfe bei Landrat Thomas Hendele. Dieser sollte als Oberhaupt der Kommunalaufsicht entscheiden, ob der Ratsbeschluss rechtmäßig ist.

Der Landrat stimmte Birkenkamp zu. Was die Fraktionen nun aber auf die Palme treibt, ist der Zeitpunkt, zu dem Birkenkamp sie darüber informiert hat. Hätte er das zeitiger getan, dann hätte der Rat bei einer regulären Sitzung entscheiden können, gegen den Landratsbeschluss Klage beim Verwaltungsgericht in Düsseldorf einzulegen. Doch jetzt sind Sommerferien, eine Ratssitzung findet erst einmal nicht statt. Und so verstreicht die Frist.

Die Fraktionsmitglieder vermuten dahinter Absicht. "Wir haben um 13.07 Uhr die Mails mit der Information bekommen, um 16 Uhr war Ratssitzung. So schnell kann sich keiner eine rechtliche Sache durchlesen und entscheiden, was jetzt zu tun ist", sagt Christian Wiglow, Fraktionsvorsitzender der SPD.

Um doch noch zum Ziel, dem Beschlusskontrollsystem, zu kommen, werden die Fraktionen in der September-Ratssitzung einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung stellen. Sollte dieser abgesegnet werden, muss der Bürgermeister dem Rat regelmäßig schriftlich berichten, was aus den Beschlüssen geworden ist.

Harald Birkenkamp blickt dem gelassen entgegen. "Der Landrat hat entschieden", sagt er. Und er habe die Ratsmitglieder rechtzeitig per Mail informiert. Darüber hinaus hätte jede Fraktion im Postfach ein Schreiben gehabt, in dem der Sachverhalt dargelegt wurde.

Birkenkamp könnte auch den neuen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung beanstanden und den Landrat einschalten, um den Ratsbeschluss auszuhebeln. "Doch dann klagen wir", sagt Susanne Stocks.