Neviges: „Der Bau ist eine Wundertüte“

Die Arbeiten zur Grundsanierung des Schlosses schreiten voran. Immer wieder stoßen die Handwerker aber auf Überraschungen.

Neviges. Ein Schloss zieht blank: Das Nevigeser Wahrzeichen ist nackt, alle Fassaden sind ihres Putzes beraubt und geben den ungeschminkten Blick auf die Schäden im Mauerwerk frei. Und davon gibt es reichlich. Nachdem sämtliche Löcher und Risse erfasst wurden, sind die Handwerker nun mit der Reparatur zugange.

Vorsichtig entfernt Klaus Poniatowski ein paar lose Ziegel zwischen zwei Fensterlaibungen im ersten Obergeschoss. Der Mörtel bröckelt fast von allein aus dem Spalt. "Ein ordentlicher Verbund war das nicht", erläutert der Steinmetz. Offensichtlich wurden die seitlichen Flächen der Fensteröffnung aus Sandstein schon einmal ersetzt, ohne sie richtig ins Mauerwerk einzubinden - was erst nach Entfernung des Putzes erkennbar war.

Ein paar Meter weiter demonstriert Jens Michaels sehr anschaulich den Zustand, den das Mauerwerk an vielen Stellen hat. Der Bauingenieur der Fachabteilung Umwelt und Stadtplanung, der urlaubsbedingt Projektleiter Udo Misiak vertritt, drückt kräftig mit dem Daumen auf einen schieferartigen Stein, der sich unter dem Druck in kleine Plättchen zerbröseln lässt.

Es sind die aus der Region stammenden Sedimentsteine in dem Sammelsurium verwendeter Baumaterialien, die ihre Festigkeit verloren haben. Michaels zieht einen Vergleich: "Wenn man hier den Mutterboden wegschiebt, stößt man auf Fels der Bodenklasse 7, der höchsten Festigkeitsstufe. Lassen Sie ein Jahr lang die Witterung drübergehen, wird der Boden schon weicher." Entsprechend hat ein Teil der verwendeten Bruchsteine über die Jahrhunderte seine Stabilität verloren und muss getauscht werden: "Das ist wie Karies", so Michaels.

Unterdessen jault ein Trennschleifer auf, dann weht eine graue Staubwolke um die Ecke des Gebäudes. An der Ostseite ist Wolfgang Großhäuser als "Zahnarzt" am Werk. Auf rund zwei Quadratmeter hat er den bröseligen Stein Stück für Stück aus der meterdicken Wand heraus gestemmt und durch bergische Grauwacke ersetzt. Ein Loch klafft noch in der Wand, der 47-Jährige hat den für die Lücke vorgesehenen Stein mit dem Trennschleifer zunächst auf Größe geschnitten. Der Rest ist Handarbeit, mit Hammer und Meißel passt Großhäuser ihn an.

Auch im Innern sind die Arbeiten weitergegangen. Im großen Saal über dem Rittersaal wurde die abgehängte Decke entfernt. Dahinter kam eine sauber gearbeitete Betondecke ans Licht, die wohl bei der letzten Sanierung vor 40 Jahren eingezogen wurde. Im Westflügel desselben Geschosses ist unterdessen eine weitere zugemauerte Nische an der Außenwand aufgetaucht. Sie muss noch freigelegt werden, doch von der Lage her könnte es ein weiteres Plumpsklo sein: "Der Bau ist die reinste Wundertüte", meint Michaels. "Man macht was auf und entdeckt was Neues."

Auch am statischen "Sorgenkind", dem Gewölbe unter dem Rittersaal, gingen die Arbeiten weiter. Ein Teil wurde mit einem Spezialmörtel verpresst, danach ein Belastungstest durchgeführt. Fest steht, das Gewölbe ist nicht eingestürzt - aber die detaillierte Auswertung steht noch aus: "Danach wird in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde besprochen, wie saniert werden kann", sagt Michaels.