Ratingen: Stundenausfall an den Schulen ist die Regel

Fehlende Fachlehrer sorgen an den Ratinger Gymnasien für Engpässe beim Unterricht. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Ratingen. "Unsere letzte Stichprobe ergab beim Unterrichtsausfall eine fallende Tendenz." Für Ministerialrat Wilhelm Knevels ist die Schulwelt zwar nicht ganz in Ordnung, sein Schulministerium aber auf dem richtigen Weg - zumindest statistisch.

Der Alltag und die Wirklichkeit an den weiterführenden Schulen in Ratingen sieht aber völlig anders aus: Unterrichtsausfall ist alltäglich, wobei nicht nur einzelne Stunden nicht gegeben werden, sondern mangels Lehrer ganze Fächer nicht unterrichtet werden können. Besonders betroffen sind Mangelfächer wie Naturwissenschaften, Mathematik, aber auch Latein und Musik. Hier müssen die Gymnasien mit dem vorhandenen Personal abdecken, was abzudecken ist. Aber wenn es für 700 Schüler in einem Fach nur einen Fachlehrer gibt, kann flächendeckender Unterricht nicht funktionieren.

Besonders gebeutelt ist seit Schuljahresbeginn das Kopernikus-Gymnasium. Fünf Lehrkräfte fielen komplett aus wegen Elternzeit und Mutterschutz. Ein Ersatz war aber nicht zu bekommen. Die gesuchten Fächerkombinationen stehen seit Monaten im Internet, doch die Hoffnung auf neue Kollegen hat sich zerschlagen. "Zwei Bewerber haben kurzfristig abgesagt", erklärt Schulleiter Detlef Lewen. Er setzt seine Hoffnungen auf die zweiten Staatsprüfungen in den nächsten Wochen, die das Angebot an Lehrern vergrößern dürften. Inzwischen schreibt er die offenen Stellen wöchentlich aus - der Lehrerpool ist aber leer.

Die Auswirkungen tragen die Schüler. Lewen versucht, den Unterrichtsausfall in der Erprobungsstufe (Klasse 5 und 6) so gering wie möglich zu halten, ebenso in der Oberstufe. Dafür muss in der Mittelstufe gekürzt werden: Die Siebtklässler sind mehrere Unterrichtsstunden unter dem Soll. Geschichte und Politik gibt es nur eine Stunde pro Woche, Latein nur vier statt fünf Stunden, Mathe-Förderunterricht wurde ganz gestrichen. Kunst steht in diesem Schuljahr überhaupt nicht auf dem Stundenplan, ebenso wenig Physik und Bio. Zwei "Totalausfälle" wegen Krankheit machen Lewen das Leben zusätzlich schwer, weil sie weitere Lücken ins Unterrichtsnetz reißen.

Aushilfslehrer, etwa aus der Elternschaft, sieht Lewen mit gemischten Gefühlen. So habe sich eine Mutter, eine ausgebildete Künstlerin, angeboten, Kunst zu unterrichten. Lewen: "Eine AG kann ich mir gut vorstellen, aber regulärer Unterricht? Wie soll das mit Zensuren funktionieren?"

Nicht viel besser sieht es am Weizsäcker-Gymnasium aus: Von vier offenen Stellen konnte nur eine besetzt werden. "Wir haben alle Reserven zusamengekratzt", erklärt Peter Lausch, stellvertretender Schulleiter, die Krisenlage, die vor kurzem Alltag war. "Ich habe schlichtweg niemanden mehr, um irgendwelche Löcher zu stopfen." Verschärft wurde die Situation durch Klassenfahrten, als die mitfahrenden Kollegen in der Schule komplett ersetzt werden mussten.

Am "Weizsäcker" mangelt es besonders an Lehrern für Mathe, Physik und Latein. Zwei interessierte Quereinsteiger hätten abgesagt. Die Schule habe auch die Unis angeschrieben, aber keine Resonanz erhalten, so Lausch weiter. Auch der letzte Rettungsanker aus der Elternschaft, ein qualifizierter Vater, darf keine Unterrichtslücken stopfen. Lausch: "Im Ministerium hieß es, der Geldtopf dafür sei leer." Die Zahl der Unterrichtsstunden, die gegeben werden können, müssen neu verteilt werden. So kommt es, dass die fünf siebten Klassen erst im zweiten Schulhalbjahr Physik bekommen können. Kürzungen in anderen Fächern seien ebenso unvermeidlich.

Auch am Bonhoeffer-Gymnasium dreht man am Rad: Sport wurde durchgehend um eine Stunde gekürzt, Religion und praktische Philosophie fallen in den siebten und achten Klassen ganz aus, Engpässe gibt es auch in den Naturwissenschaften. "Zurzeit sind nur Seiteneinsteiger auf dem Markt", weiß Schulleiter Ernst Klein. Und die hätten manchmal abenteuerliche Arbeits- und Gehaltvorstellungen. "Dass nicht so massiv Unterricht ausfällt, verdanke ich meinem Kollegium, das immer wieder bereit ist, mehr zu arbeiten."

An der Martin-Luther-King-Gesamtschule ist man derzeit in der glücklichen Lage, alle Stellen besetzt zu haben. Aber das Glück ist limitiert, weiß die stellvertretende Schulleiterin Heike Winterberg. Mangelfächer seien Mathe, Chemie und Physik. Vor allem in Physik sehe die Zukunft "rabenschwarz" aus. In der 6. Klasse wurde schon komplett gestrichen, in der 10. gekürzt. Und der Fachlehrer steht kurz vor der Pensionierung...